Vor 50 Jahren – Bau der „Berliner Mauer“

Nachgefragt bei der Schweriner Kommunal- und Landespolitikerin Dorin Müthel-Brenncke

Ein Jahrestag des Erinnerns, des Mahnens und des Trauerns jährt sich 2011 zum fünfzigsten Mal. Der Jahrestag eines monströsen Bauwerkes, das wie kein anderes die Spaltung Europas auf extreme Weise dokumentierte – vor 50 Jahren wurde die „Berliner Mauer“ errichtet, die mehr als 28 Jahre Bestand haben sollte. Der damalige Regierende Bürgermeister des Westteil Berlins, Willy Brandt, fand damals – im August 1961 – deutliche Worte gegen dieses „Bauwerk der Unmenschlichkeit“, das von der SED und ihren Blockpartnern aus Ost-CDU, LDPD, NDPD und Bauernpartei als „antifaschistischer Schutzwall“ deklariert wurde.

Dazu Willy Brandt: „… Was in Ost-Berlin geschehen ist, das ist der Einmarsch einer Armee in ein Territorium, in dem sie nichts zu suchen hat. Die sogenannte Volksarmee mit ihren Nebenorganisationen hat Ost-Berlin annektiert. Sie hat den Vier-Mächte-Status unter ihren Panzerketten zermahlen …“
Und an anderer Stelle: „ … Die Mauer steht gegen den Strom der Geschichte. Sie steht gegen das Gebot der Menschlichkeit. Gegen das in der Charta der Vereinten Nationen verbriefte Recht auf Selbstbestimmung. Gegen die Sicherung des Friedens …“

Eine, die im Schatten der „Berliner Mauer“, in Ostberlin, studierte, ist die heutige CDU-Kreisvorsitzende Dorin Müthel-Brenncke.

Schwerin-News befragte Dorin Müthel-Brenncke zu diesem Ereignis aus ihrer persönlich-historischen Perspektive, über ihre Berliner Studienzeit und die aktuelle Entwicklung in M-V und in Deutschland

„Das Glas ist mehr als halbvoll …“

Frage: Frau Müthel-Brenncke, in wenigen Wochen, am 13. August, jährt sich der 50. Jahrestag der Errichtung der „Berliner Mauer“. Was verbinden Sie mit diesem historischen Ereignis?

Dorin Müthel-Brenncke: Zum Zeitpunkt des Mauerbaus 1961 war ich persönlich noch gar nicht „in Planung“. Ich wurde erst Ende 1968 geboren. Für Willy Brandt war die „Berliner Mauer“ ein „historisches Monstrum“, das Familien, ja ein ganzes Volk auseinander riss. Für mich als damalige Studentin, die Ende 1989 in Berlin studierte, verbanden sich mit der „Mauer“ Sehnsüchte, die Welt kennen zu lernen, einer politischen und wirtschaftlichen Tristesse mit einer ewigen Bevormundung zu entfliehen.

Ich wollte mich vor allem frei, insbesondere geistig frei, entfalten können. Die Mauer war das Symbol einer völligen Fehleinschätzung der damals politisch Handelnden in der DDR, für die das Überleben einer inhuman angelegten Ideologie wichtiger war, als das Leben des einzelnen Menschen.

Frage: Sie selbst studierten ja in der Endphase der DDR in Ostberlin. Wie empfanden Sie persönlich die Stimmung in der Stadt? Welche Sichtweise hatte die Dorin Müthel-Brenncke des Jahres 1988/89 auf die DDR?

Dorin Müthel-Brenncke: Dass dieses System untergeht, wurde in den letzten DDR-Jahren immer deutlicher. Die wirtschaftliche Misere, der Verfall der Städte, die immense Umweltzerstörung und die ständige Beobachtung durch die Staatssicherheit, die auch vor unserer Haustür stand – das alles waren doch Hinweise darauf, dass das politische System der DDR kollabierte. Die SED-Staatsführung negierte die neue Politik unter Michail Gorbatschow in der damaligen Sowjetunion, lehnte dessen Politik von „Glasnost“ und „Perestroika“ ab.

Wie meinte noch der SED-Funktionär Kurt Hager 1987 zur Umsetzung dieser Politik in der DDR: „Würden Sie, wenn Ihr Nachbar eine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?!“ Auf einmal war die Sowjetunion nicht mehr der „große Bruder“, von dem man lernen wollte. Dann, Ende 1988, wurde die offene sowjetische Monatszeitschrift „Sputnik“ in der DDR verboten, die sich kritisch mit der Entwicklung in den Ländern des real existierenden Sozialismus auseinandersetzte und die auch historische Prozesse neu bewertete.

Richtig bedrückend empfand ich Ende der 1980er Jahre jedoch den Zerfall der Städte – ob in Schwerin, in Berlin, in Wismar oder in Stralsund. Alles war „Grau in Grau“, dazu die ewig gleichen Parolen, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hatten.

Jedem engagierten Handwerker musste beim Anblick der Städte in der DDR das Herz bluten, ganz zu schweigen davon, wie reaktionär die „Organe“ der DDR-Staatssicherheit gegenüber allen Andersdenkenden handelten. Übrigens: Ich selbst war zum Zeitpunkt des „Mauerfalls“ gerade in einem Berliner Studenten-Club unterwegs. Als ich dann ins Studentenwohnheim zurück kehrte, waren meine Zimmer-Mitbewohnerinnen nicht mehr da. Das ganze Studentenwohnheim war wie ausgestorben. Am nächsten Morgen fuhr ich dann selbst über die „Grenze“. Ich erlebte den 10. November wie „in Trance“, es schien alles so unwirklich.

Plötzlich spazierte ich über den Ku`damm, sah begeisterte Menschen. Für alle schien das Motto zu gelten „Go West!“. Von meiner ersten D-Mark kaufte ich mir ein Eis, das weiß ich noch, 2,50 D-Mark. „Wow!“, dachte ich nur: „Ist das hier teuer!“.

Frage: Sie sind nun Christdemokratin (seit 2005) und Unternehmerin. Die damalige Block-CDU in der DDR trug die Entscheidung zum Mauerbau mit. Machen es sich viele einstige DDR-Christdemokratin nicht zu einfach, wenn diese stets nur die Widerstandsgeschichte der DDR-CDU zwischen 1945 und 1955 hervorheben, jedoch nicht die Schuldgeschichte insbesondere seit Ende der 1950er Jahre an den Verhältnissen in der DDR?

Dorin Müthel-Brenncke: Die Geschichte der CDU in der DDR kann man aus meiner Sicht nicht einseitig bewerten; hier ist Differenzierung notwendig. Die Christdemokraten in der DDR nur als „willfährige Blockflöten“ zu bezeichnen, wird deren realer Situation unter den vorherrschenden Bedingungen nicht gerecht. Hat man etwa mittlerweile vergessen, wie viele Christdemokraten zwischen 1946 und 1955 – in der Zeit der von der SED initiierten „großen politischen Säuberungen“ – zum Opfer fielen. Tausende CDU-Mitglieder, wie übrigens auch frühere Sozialdemokraten oder Liberale, wurden für ihre politischen, freiheitlichen Überzeugungen verfolgt, inhaftiert, umgebracht. Viele von ihnen flohen nach Westdeutschland.

Zahlreiche politisch Interessierte traten in die CDU ein, um damit auf ihre Art den Widerstand zu demonstrieren. Natürlich gab es in der CDU Leute, die sich der SED-Politik anpassten. Aber auch hier muß man zwischen der zentralen CDU-Führung und der CDU-Basis unterscheiden, die oftmals die CDU zumindest als „leise politische Opposition“ betrachteten.

Frage: Wie beurteilen Sie die Entwicklung seit 1990 in Deutschland und in der Welt? Eher positiv oder negativ?

Dorin Müthel-Brenncke: Positiv, aber diese Beurteilung liegt immer im „Auge des Betrachters“. Das Glas ist für einige halbvoll, für andere halbleer. Die Welt hält nicht überall Frieden, die Weltwirtschaft befindet sich in Turbulenzen, noch immer wird gehungert und verhungert, gehen die Menschen mit ihren Ressourcen leichtfertig um.

Ich stelle das Positive in den Vordergrund, kann mein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Selbstbestimmtheit ist für mich ganz wichtig, vielleicht sogar das Wichtigste. Freiheit – und dafür sind wir 1990 auf die Straßen gegangen – ist ohne Übernahme von Verantwortung in gleichem Maße nicht zu haben.

Die Welt ist, auch bei allen Defiziten, dennoch ein besserer Ort geworden und die Demokratie das beste System, das wir haben! Verbessern können wir die Demokratie nur über die Summe derer, die an ihr teilnehmen.

Frage: Welche politischen Hoffnungen hegt die heutige „Einheits-Deutsche“ Dorin Müthel-Brenncke für Ihr Vater- und Mutterland M-V?

Dorin Müthel-Brenncke: Ich hoffe sehr, dass die Menschen in unserem Land ihren Blick nach vorn richten, sich auf die eigenen Stärken konzentrieren und die persönlichen Chancen ergreifen. Der Staat kann und soll vor allen Dingen nicht alles regeln. Er kann nur Rahmenbedingungen setzen.

Es sind in erster Linie Eigenverantwortung, Eigeninitiative und persönliches Engagement von jedem Einzelnen gefragt. Natürlich gibt es Menschen, die aus nachvollziehbaren Gründen nicht an der Wertschöpfung teilhaben können. Hier habe ich schon oft gesagt, dass wir das als gesellschaftliche Aufgabe verstehen, jene nicht zurückzulassen.

Deutschland ist ein gut situiertes Land, das können wir leisten. Nicht zuletzt ist es überaus wichtig, in die Betreuung und Bildung unserer Kinder zu investieren – sie gestalten unsere Zukunft.

Deutschland ist auf einem guten Weg. Viele Länder bewundern und beneiden uns für die Stärke, die wir schon kurz nach der Wirtschaftskrise wieder entwickelt haben. Ich jedenfalls bin überaus optimistisch, was die Entwicklung in M-V und in Deutschland betrifft. In meinen Augen ist das Glas mehr als halbvoll!

Vielen Dank für das Gespräch!

Marko Michels

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