Gedanken zum 17.Juni 1953
Und wieder gibt es ein äußerst geschichtsträchtiges Datum in diesem Jahr …
Der 17.Juni 1953 – nicht „irgendein Datum“, nicht „irgendein Tag“.
Der 17.Juni 1953 ist ein Symbol für den Freiheitswillen, für die Freiheitsliebe der Menschen in der damaligen sowjetischen Besatzungszone/DDR, für den Einsatz für demokratische, rechtsstaatliche Verhältnisse auch zwischen Ostseeküste und Erzgebirge.
Niederträchtig wird dieser besondere Tag sowohl von der diskreditierten Linken wie auch von einigen Vertretern der demokratischen Linken als marginales Ereignis, als ein Aufbegehren gegen eine von der SED geforderte, zu hohe „Normerfüllung“ und – der demagogische „Gipfel“ – als „konterrevolutionäre, faschistische Aktion“ bezeichnet.
Der 17.Juni 1953 war aber kein „losgelöstes“ Ereignis; er war der Höhepunkt einer Entwicklung seit Juni 1945 ff. gegen die drohende kommunistische und dann reale kommunistische Diktatur in Mitteldeutschland, gegen die sich maßgeblich soziale, konservative und liberale Demokraten engagierten.
Diese Auseinandersetzung mit den sowjetischen Besatzern und ihrem politischen „Alliierten“, der KPD/SED, war ein harter und opferreicher Kampf. Viele Sozialdemokraten, Konservative und Liberale, die bereits gegen die Nationalsozialisten aufbegehrten, fanden sich nach 1945 oftmals in jenen Konzentrations- und Inhaftierungslagern wieder, in denen sie bereits während der NS-Diktatur eingesperrt waren.
In einer der ersten Sitzungen des im August 1949 gewählten Deutschen Bundestages erklärte der Stellvertreter Kurt Schumachers im Parteivorstand und in der Führung der Bundestagesfraktion der SPD, Erich Ollenhauer:
„Es gibt für die Sozialdemokraten eine unlösbare Gemeinschaft des Kampfes, das ist die Gemeinschaft mit den unterdrückten, inhaftierten und illegalen Freiheitskämpfern in der Ostzone.“
Wenn also all zu oft der 17.Juni 1953 als „ein ausschließlich von wirtschaftlichen, rein ostdeutschen Motiven begründeter Aufstand“ gewertet wird, dann ist das eine Verhöhnung der Opfer sowohl vor diesem Höhepunkt des Freiheitskampfes gegen die kommunistische Diktatur als auch während des 17.Juni 1953. Dieser Tag ist, gesamtdeutsch betrachtet, ein Tag, an dem die Ehre, der Mut und das Engagement vieler Ostdeutscher unvergessen bleibt und an dem man sich zu Recht voller Stolz erinnern sollte.
Wie bemerkte der Landesbeauftragte für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes M-V, Jörn Mothes, in seinem Geleit zur Fachtagung „Aufarbeitung von Diktatur-Vergangenheit im internationalen Maßstab“ am 3. und 4.Juli 2008 in Schwerin treffend:
„ … Wir sollten genauer hinsehen, um dem Einzelnen Gesicht, Namen und Würde wiederzugeben, die im Schatten der Diktaturen zu verschwinden drohen. Wir sollten zuerst genau wissen, wer welche Schuld auf sich geladen hat, um ihm vergeben zu können. Wir sollten uns unbedingt jener erinnern, die widerstanden haben, die uns Mut machen können und die uns zeigen, dass Opportunismus nicht angeboren ist. Wir sollten niemals vergessen, was geschehen ist, weil wir nicht zulassen dürfen, dass Ähnliches wieder geschieht …“
Das gilt für die „braune Diktatur“ der Nationalsozialisten ebenso wie für die „ultrarote Diktatur“ der Kommunisten.
„Halt, stopp !“, mag manche bzw. mancher sagen. Der Vergleich von 12 Jahren nationalsozialistischer Hinterlassenschaft mit 40 Jahren „real existierendem Sozialismus“ ist unzulässig, man dürfe nicht relativieren.
Aber das ist nur Ausdruck praktizierten Pharisäertums. Denn diejenigen, die einen solchen Vergleich verbieten, haben bereits selbst verglichen. Diejenigen die „Relativismus“ vorwerfen, relativieren – zumeist aus ideologisch-politischen Gründen – selbst.
Vielleicht ist es tatsächlich so: „Rechts“demokratische Parteien haben Probleme in der Aufarbeitung einer „Rechts“diktatur; „links“demokratische Parteien haben demgegenüber so ihre Probleme mit der „Bewältigung“ einer „Links“diktatur.
Wieder fordern viele, viel zu viele, einen Schlussstrich – wie nach 1945, nun nach 1989.
Die Gründe sind vielfältig und – leider – vordergründig machtpolitischen Interessen geschuldet.
Jedoch: Wer sicht mit Extremisten einlässt, wird von diesen unterminiert, wird von diesen getrieben und wird von diesen vorgeführt.
Wenn es zwei Erkenntnisse aus dem 17.Juni 1953 gibt, dann die: Vergesst nie diejenigen, die aufbegehrten, und bekämpft diejenigen, die im „pseudo-demokratischen Gewande“ – trotz „krimineller“ Vergangenheit – nach der Macht streben.
Der 17.Juni 1953 – ein Tag des Gedenkens und der Genugtuung, dass es – trotz schlimmster Repressionen – so viel Widerstandswillen der Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer in der so genannten DDR gegen die zweite Diktatur auf deutschem Boden gab !
Doch wie steht es heute um die Demokratie, die Freiheit und die Gerechtigkeit in Deutschland. Wurde das Vermächtnis der Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer des 17.Juni 1953 erfüllt ?
Zweifel sind mehr als angebracht. Unsere Volksvertreter stammen zumeist nicht mehr aus der „Mitte des Volkes“, sondern aus irgendwelchen „Personalklüngeln bzw. -zirkeln der Parteien“. Pseudo-Demokraten benutzen Parteien, Verbände und Vereine, um ihre Gier und ihr Streben nach Macht, Geld und Prestige – was ja zwangsläufig zusammengehört – zu befriedigen.
„Der Demokratie drohe keine Gefahr von ihren Feinden von Rechts oder Links, es sind diejenigen, die auf die Gunst der Stunde hoffen …“ , meinte einst der große deutsche Nachkriegspolitiker Dr.Kurt Schumacher.
In der Tat, an den „Schalthebeln“ der Politik, der Wirtschaft und bei angeblichen Arbeitnehmervertretungen sind – nicht selten – Personen an der „Spitze“, die es mit den demokratischen Spielregeln nicht sehr genau nehmen.
Dazu wird im SPIEGEL Nr.23/2008 vom 2.Juni 2008, S. 64 (Die Zukunft der Demokratie) ein einflußreicher deutscher Unternehmer zitiert:
„Wir sind nicht erfolgreich wegen der Demokratie, sondern trotz der Demokratie“, sagt ein bekannter deutscher Unternehmer, der abends bei einer guten Zigarre gern über die Unzulänglichkeiten der westlichen `Mediendemokratie` klagt.
„Nehmen Sie nur die Kanzlerin“, schimpft er, „die läßt sich ausschließlich von der öffentlichen Meinung treiben.“
Selten habe er dagegen so „intelligente und sympathische Politiker“ erlebt wie in Peking, sagt der Eigentümer des milliardenschweren Familienunternehmens.
Wie „sympathisch“ die kommunistische Diktatur in Peking ist, kann man hingegen zur Zeit „live“ verfolgen: Blutige Niederschlagung des Aufstandes der um Freiheit kämpfenden Tibeter, Unterdrückung der Uiguren und anderer nationaler Minderheiten in China, Wirtschaftswachstum um jeden Preis und zu Lasten der Umwelt, materielle und finanzielle Hilfe für afrikanische Diktaturen und Mißachtung der Menschenrechte und Pressefreiheit.
„Schön“, einmal so deutlich zu wissen, wie es um das Demokratie-Verständnis einiger deutscher „Eliten“ bestellt ist.
So wichtig und richtig die Auseinandersetzung mit NPD oder Linkspartei auch sein mag, die wirklich gefährlichen Feinde der deutschen Demokratie kommen aus der „Mitte“ der deutschen Gesellschaft.
Lassen wir es nicht zu, dass erneut, wie nach 1933 in ganz Deutschland oder nach 1945 im Ostteil Deutschlands, die Demokratie von Pseudo-Demokraten zerstört wird.
Das sind wir den Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfern des 17.Juni 1953 ganz einfach schuldig !
Dr.Marko Michels
Empfehlenswerte Veranstaltungen zur Thematik „17.Juni 1953“ und „DDR-Geschichte“ in Mecklenburg-Vorpommern:
> am 18.Juni 2008 um 16.00 Uhr in Stralsund, Platz des 17.Juni,
Gedenkveranstaltung 2008 zum 17.Juni 1953: „Vergeben ? Ja. – Vergessen ? Nie !“
> am 18.Juni 2008 um 19.30 Uhr in Schwerin, Schleswig-Holstein-Haus,
Vortrag „17.Juni 1953 – Volksaufstand in der DDR“ / Referent: Dr.Ilko-Sascha Kowalczuk, BStU
> am 20.Juni 2008 um 19.00 Uhr im Stadtarchiv Neubrandenburg
Vorstellung des Buches: „Rückblende. Junge Autoren in Neubrandenburg (DDR)“, Interviews und Texte, hrsg. Von Christiane Baumann
> am 3. und 4.Juli 2008 Fachtagung zur Thematik „Aufarbeitung von Diktatur-Vergangenheit im internationalen Vergleich“ in Schwerin (Tagungsort: Rittersaal im Restaurant Ritterstube)
> noch bis zum 20.Juli 2008, Außenstelle Schwerin der BStU in Görslow, Plakat-Wanderausstellung der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur „geschichts-codes: Der 17.Juni 1953 – Ruf nach Freiheit und Demokratie“
F.: Plakate (2): „geschichts-codes: Der 17.Juni 1953 – Ruf nach Freiheit und Demokratie“