Monatliche Opfer-Rente erst für 50 Antragsteller in M-V gezahlt …
Bereits die politische Diskussion und das langwierige Gesetzgebungsverfahren für die Widerstandskämpfer gegen die kommunistische Diktatur war ein langwieriger, beschämender Prozess.
Nun erhalten die mutigen Frauen und Männer, die in der ersten Reihe des Aufbegehrens gegen die zweite deutsche Diktatur standen, eher ein „staatliches Almosen“.
Ganze 250 Euro monatlich erhalten die Widerständler gegen die SED, die mindestens ein halbes Jahr inhaftiert waren bzw. – und das ist schon ein Skandal – deren Einkommen nicht mehr als 1041 Euro beträgt. Für Verheiratete gilt die Obergrenze von 1388 Euro.
Dass sich nun die Auszahlung der SED-Opfer-Rente in M-V verzögert, ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, denen es zu verdanken ist, dass die heutigen Demokraten unterschiedlichster „Parteibuch-Farbe“ ihre Ämter, Funktionen und Mandate ausüben können.
Es ist schon erstaunlich, dass hier nicht eine deutliche Anerkennung der Leistung der Widerstandskämpfer in der DDR erreicht wurde – eine unabhängige Zahlung der SED-Opfer-Rente hinsichtlich des jeweiligen persönlichen Einkommens.
Die Entschuldigung des hiesigen Justizministeriums, nur sieben Mitarbeiter stehen für die Bearbeitung der Anträge zur Verfügung, darf man so nicht gelten lassen. Es gibt genügend Geld in der stärksten Volkswirtschaft Europas, und qualifiziertes Justiz-Personal dürfte wohl auch vorhanden sein bzw. muß wohl nicht erst aus Indien, England oder den Vereinigten Staaten „importiert“ werden.
Die bisherige Praxis bei der Auszahlung der SED-Opfer-Rente beweist wieder einmal nur: Widerstand in einer Diktatur, ganz gleich mit welchen Folgen für die Betroffenen, lohnt sich nicht – weder ideell noch materiell.
Wie meinte nach 1990 Peter Jessel, Mitglied des Museumsbeirates Hagenow, in seinem Aufsatz über den Landrat des Landkreises Hagenow 1945, Bernhard Pfaffenzeller, der wegen seiner demokratischen Gesinnung 1949 durch die russische Besatzungsmacht verhaftet wurde
und 1950 im Lager Solikamsk im Nordural umkam:
„ … Wie halten wir es nun nach der `Wende` mit den Opfern der kommunistischen Tyrannei ? Diese Toten klagen an. Es gebietet die Achtung vor den Leiden dieser Frauen, Männer und Jugendlichen, dass sie die späte Rehabilitierung und Ehrung erhalte, die wir auch den Opfern der Nazi-Tyrannei erweisen.
In sowjetischen Schweigelagern verhungert, von Selbstschußanlagen zerrissen, von Mienen verstümmelt, an der Mauer erschossen. Eine blutige Seite der DDR-Geschichte, dieses kleinen Landes im Herzen Europas, gliedert sich mit seinem blutbesudelten Staatssicherheitsdienst nahtlos in die politischen Mord-Diktaturen dieser Welt ein.
Die politisch verantwortlichen Funktionäre sitzen heute … vor ihrem angerichteten politischen Scherbenhaufen. Mit den hohen Renten und Abfindungen, den sicheren Auslandskonten auf einen geruhsamen Lebensabend hoffend.
Achten wir die errungene Freiheit. Verhindern wir in der Zukunft Bürokratie, Geheimniskrämerei und Denunziantentum. Hüten wir uns vor Neid und Missgunst. Üben wir Toleranz und wiederholen wir nicht die Fehler der Vergangenheit.
Zwei blutige Diktaturen in einem Jahrhundert reichen unserem deutschen Volk.“
Dass nun diejenigen als „Bittsteller“ auftreten müssen, die entscheidend mithalfen, die kommunistische Diktatur in der DDR zu beseitigen, ist daher beschämend.
Sozialdemokraten, wie Albert Schulz, Willi Jesse, Bernhard Pfaffenzeller, Karl Moritz oder Hermann Lüdemann, Christdemokraten, wie Werner Jöhren, Hans Krukenmeyer, Siegfried Witte, Annemarie von Harlem, oder Liberale, wie Arno Esch, wurden nach 1945 wegen ihres demokratischen Eintretens in der sowjetischen Besatzungszone/DDR verfolgt, drangsaliert, verhaftet und/oder sogar ermordet.
Deren Beispiel folgten unzählige Frauen und Männer in den folgenden Jahren in der DDR.
Der SPD-Nachkriegsvorsitzende Dr.Kurt Schumacher und der damalige Bundeskanzler Dr.Konrad Adenauer mahnten stets, die Opfer-Bereitschaft und den Freiheitswillen der ostdeutschen Landsleute zu achten bzw. anzuerkennen.
„ … Unsere Landsleute in der Zone erfüllen durch ihre Haltung, durch ihr Ausharren, durch alle Zeichen, die sie dafür geben, sich nicht zu beugen und dieses (SED-)Regime nicht zu unterstützen, eine Aufgabe, die im Interesse unseres gesamten Volkes liegt. Gemessen an unserer Geschichte ist dies eine Leistung, für die wir in der Bundesrepublik nur dankbar sein können …“, meinte auch Bundeskanzler Willy Brandt.
Es gilt nun, 17 Jahre nach der deutschen Vereinigung, diese Leistungen der Widerstandskämpfer gegen die SED-Diktatur auch aufrichtig und gebührend zu würdigen.
Denn die Frauen und Männer, welche mithalfen, die kommunistische Diktatur zu stürzen, sind echte Vorbilder – im Gegensatz zu einigen, „durchgestylten Parteisoldaten“ der Gegenwart !
Marko Michels
Aufnahmen: Landeshauptarchiv M-V (3)