Wie geht es eigentlich Sylvia Roll?

Rolli brauchte nur in der Mannschaftsaufstellung des Schweriner SC aufzutauchen, da bekam der gegnerische Verein schon das Grübeln.

Denn die 1,82 m große Außenangreiferin ist in der deutschen und internationalen Volleyballszene der Frauen ein Ass. 250mal stand sie im Nationaltrikot Deutschlands bei Länderspielen auf dem Feld. 4 Meistertitel und 2 Pokale kleben an ihren Innenhänden. 2 Olympiateilnahmen sowie Engagements in Vereinen von Brasilien, Italien und der Türkei zählen zu den Reifeprüfungen der gebürtigen Schwerinerin. Die meiste Zeit spielte sie für den SSC.

Seit dem 20.3.2010 allerdings ruhen ihre sportlichen Aktivitäten am Netz. Eine Schulterverletzung im Auswärtsspiel gegen den Potsdamer SC versetzte ihrer sportlichen Karriere einen heftigen Schlag. Der wichtigste Muskel der Schulter, der Infraspinatus, war gerissen. Der Operation folgte die Reha, in der sie sich gegenwärtig noch befindet und die bis Ende September andauern wird. Was macht eine Spielerin in solch einer Lage, wie stellt sie sich ihren weiteren Weg vor? Wir trafen uns mit Sylvia Roll zum Sommer-Smalltalk in ihrem „Arbeitszimmer“, der Volleyballhalle.

Ihr Tagesablauf gegenwärtig ist ein völlig anderer. „Die Reha ist mein zweites Zuhause. Von Montag bis Freitag habe ich meine Termine, Krafttraining, Wassergymnastik, Massagen u a., 3 bis 4 Stunden täglich. Es hat schon viel geholfen. Den rechten Arm kann ich wieder bewegen. Am schlimmsten war für mich die Zeit nach der Op. Ich konnte nicht einmal mehr kochen oder meine Haare allein machen. Du bist völlig abhängig von anderen Leuten. Seelisch war ich ziemlich runter. Ich wollte mir nicht einmal mehr ein Spiel ansehen, geschweige denn zum Training gehen. Als Vollblutsportlerin zuzuschauen, das ist eine Strafe.“

Viele Freunde und die Eltern halfen ihr über kritische Augenblicke hinweg. Doch auch sie blieb nicht untätig. „Es kommt vor allem auf dich selber an. Ich redete mir ständig ein, du darfst dich nicht fallen lassen. Wenn es gar nicht anders geht, rufe ich jemanden an, der dann auf ein Schwätzchen vorbeikommt. Mein persönliches Ziel ist die 100prozentige Wiederherstellung meiner körperlichen Verfassung.“

Drei Ärzte haben ihr inzwischen bestätigt, dass sie ihre Bewegungsfreiheit voll wiedererlangen wird. Wird das aber reichen für die Fortsetzung ihrer Profikarriere? Mit 37 ist man in diesem Job auch nicht mehr die Jüngste. Den Gedanken ans Aufhören verdrängt sie am liebsten. „Ich mag nicht daran denken, nicht mehr spielen zu können. Es ist ja ein großer Teil meines Lebens.“ Und doch denkt sie über ihre Zukunft nach, spricht sogar schon von einem großen Abschiedsspiel, möglichst in der Kongresshalle und mit allen, die sie kennt. Ein verwegener Wunsch, aber der Verein hat darüber ebenfalls nachgedacht. Ein ordentliches Spiel soll es schon werden. Überhaupt baut der Verein ihr die nötigen Brücken für den Umstieg. Sie hat sich bereits über den Volleyballverband M-V für einen Sonderlehrgang 2011 zum Erwerb des A-Scheins als Trainer angemeldet. In diesem Herbst will sie den C-Schein machen, der zum Training des Nachwuchses berechtigt, und später den B-Schein. Ihre Erfahrungen will sie gern an den Nachwuchs weitergeben. „Dazu musst du geboren sein, es im Blut haben. Trainer zu sein oder Spielerin – das sind unterschiedliche Paar Schuhe. Aber ich will es probieren.“

Und ihre private Perspektive, wie sieht die aus? „Bis zum Erwerb des A-Scheines bleibe ich hier. Ich habe im Februar meinen italienischen Freund Davide kennengelernt. Er ist Anthropologe und will seinen Doktor machen. Im November entscheidet sich alles. Mein Lebensmittelpunkt könnte einmal Italien sein, aber auch hier. Das wird die Zeit zeigen.“

Wolfgang Schmidt

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