WM-Resümee im Rudersport aus Schweriner Sicht

Schwerins Ruder-Nestor Hans-Jürgen Wüsthoff zur WM-Bilanz 2007 der Ruderer, über Dopingvergehen und die Notwendigkeit einer Elite-Förderung

Das Zuschauerinteresse bei den FISA Ruder-Weltmeisterschaften 2007 in München/Oberschleißheim hat die Erwartungen des Organisationskomitees mehr als erfüllt: 51000 Zuschauer verfolgten die Rennen auf der Olympia-Regattastrecke von 1972.

Zählt man die Menschen dazu, die am Samstag vor einer Woche bei freiem Eintritt die Eröffnungsfeier miterlebt hatten, so kommt man auf die stolze Zahl von insgesamt 62000 Zuschauern in der WM-Woche.

Hinter Großbritannien wurde Deutschland Zweiter in der Nationenwertung.

Zwei gebürtige Schweriner, Robert Sens und Philipp Naruhn, holten Bronze.

Gespräch mit Schwerins Ruder-Nestor, Hans-Jürgen Wüsthoff,  zur Ruder-WM 2007

Frage: Deutschland wurde Zweiter in der Nationenwertung der Ruder-WM 2007, blieb jedoch ohne Titel. Eine „kleine“ Enttäuschung ?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Dass die deutschen Ruderinnen und Ruderer bei der WM 2007 ohne Titel blieben, ist schon ein Novum.

Diese Bilanz deutete sich aber bereits beim Weltcupin Luzern an, als das deutsche Team auch ohne Gold blieb. Der DRV rechnete mit vier WM-Titeln. Trotz der 10 Medaillen ist das WM-Endergebnis aus deutscher Sicht schon etwas enttäuschend.

Erfreulich ist allerdings, dass sich 12 von 14 Booten des DRV für Peking qualifizierten.

Frage: Muß der DRV aufpassen, nicht den Anschluß an die Ruder-Weltelite zu verlieren ?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Die anderen Länder haben enorm aufgeholt. Länder wie z.B. Neuseeland, Kanada oder die USA sind führend in der Rudersport-Welt. Gerade der kanadische Achter präsentiert sich in ausgezeichneter Verfassung; dieser ist ähnlich dominant wie die deutschen Achter der Vergangenheit.

Frage: Während der WM gab es nachgewiesene Dopingvergehen beim russischen Team. Ein „Schatten“ bei der WM ?!

Hans-Jürgen Wüsthoff: Es ist unbedingt notwendig, weiterhin konsequent Dopingvergehen zu ahnden. Die FISA hat hier mit aller (und richtiger) Härte reagiert. Der russische Ruder-Verband wurde für die nächsten zwei Jahre von allen internationalen Meisterschaften, auch Olympia, ausgeschlossen.

Der Radsport-Verband kann sich an den Ruderern, bei der Dopingbekämpfung und Bestrafung, ein Beispiel nehmen. Nur Konsequenz kann potentielle Doping-Täter abschrecken !

Frage: Zwei gebürtige Schweriner gewannen bei der WM Bronze. War das aus Ihrer Sicht erwartet ?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Im Doppelvierer, der mehrfach umbesetzt wurde, war Edelmetall für Robert Sens nicht unbedingt vorauszusehen.

Aber dem Vierer mit, in dem auch Philipp Naruhn ruderte, hatte man schon eine Gold-Chance gegeben. Insofern ist Bronze im Vierer mit keineswegs eine große Überraschung.

Frage: Ist das Ergebnis von München nun eher „Rückenwind“ oder doch „Gegenwind“ für die deutschen Ruderer ein ahr vor Olympia

Hans-Jürgen Wüsthoff: Also „Rückenwind“ ist es sicher nicht. Ein leistungsmäßiger Abwärtstrend ist bei den deutschen Ruderern seit 3 Jahren feststellbar.

Ich würde empfehlen, nur noch die rudersportlichen Disziplinen zu fördern, in denen es eine reale Endlauf-Chance bei internationalen Meisterschaften gibt.

Wir brauchen eben auch im Rudersport eine spezielle Elite-Förderung, ansonsten geraten wir gegenüber den anderen großen Ruder-Nationen bald ins Hintertreffen.

Marko Michels

 

Kurzinfos

Hans-Jürgen Wüsthoff ist auch Autor des Standardwerkes zur Schweriner Ruder-Geschichte, in dem die rudersportliche Entwicklung in der Landeshauptstadt M-V`s von den Anfängen bis zur Gegenwart präsentiert wird !

Zum Abschluss des 1. Finaltages gewann allerdings der deutsche Handicap-Mix-Vierer mit dem Ribnitzer Marcus Klemp Deutschlands einen WM-Titel in einer paralympischen Ruder-Disziplin. Marcus Klemp wurde 1982 in Rostock geboren und trainiert beim Ribnitzer Sportverein von 1919. Von Beruf ist er Bürokaufmann.

Bei den Ruder-WM in München war das Boot von Marcus Klemp 1,2 Sekunden vor England und Kanada im Ziel. Kommentar von Trainer Christian Lerch: „Für die Behinderten-Fraktion hat der allererste Sieg schon eine historische Dimension !“.

Und Marcus Klemp meinte nur: „Ein geiles Gefühl !“.

 

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