WM-Sensation in Berlin

Mit einem überraschenden Erfolg endete die Damen-Konkurrenz am ersten WM-Wochenende im Modernen Fünfkampf in Berlin …

MFDie Freude und Erleichterung war ihr ins Gesicht geschrieben: Lena Schöneborn konnte bei der WM nach der Damen-Konkurrenz ausgelassen jubeln, denn sie hatte das Unmögliche wahrgemacht und mit Silber den Fans des Modernen Fünfkampfes zwischen Ostseeküste und Bayerischem Wald einen nie erhofften Erfolg beschert.

Und es kam noch besser: Auch in der Team-Wertung konnten Lena Schöneborn, Eva Trautmann und „Küken“ Janine Kohlmann die Silbermedaille in Empfang nehmen.Auch Ersatzfrau Claudia Knack unterstützte während des Wettkampfes das deutsche Team tatkräftig.

„Es ist phänomenal, was die deutschen Damen hier in Berlin geleistet haben. Zwei Medaillen – damit hatte keiner gerechnet !“, strahlte Dr. Klaus Schormann, Präsident des internationalen wie nationalen Verbandes der Modernen Fünfkämpfer.

Überhaupt ist der seit Jahren als Kämpfer für den olympischen Erhalt und die Modernisierung der Sportart engagierte Schormann mit der Entwicklung des Modernen Fünfkampfes sehr zufrieden:

„Die WM in Berlin war bislang beste Werbung für unsere Sportart. Zudem wird der Moderne Fünfkampf noch moderner werden. Ein abschließender Geländelauf, unterbrochen von Schieß-Einlagen mit einer Laser-Pistole, wird den vielseitigen Wettkampf noch attraktiver und schneller machen und auch weiterhin die olympische Zukunft nach 2016 hinaus sichern. Die Neuerungen haben wir uns nicht zuletzt beim Biathlon, einer mittlerweile sehr trendigen Sportart abgeguckt.“, äußert sich Schormann zur weiteren Entwicklung des Modernen Fünfkampfes.

Doch erst einmal war er sichtlich stolz auf die Ergebnisse sowie Leistungen des deutschen Teams und der jungen Athletinnen aus aller Welt um die neue Weltmeisterin Amelie Caze, die nach Bronze bei der Junioren-WM 2006 in ihrem ersten Jahr bei der Elite nun sogar den WM-Titel erkämpfte – den ersten für Frankreich in der Geschichte des Modernen Fünfkampfes im Einzel-Wettbewerb bei den Frauen.

„Mein Herz war frei, um nun in Berlin großen Sport zu bieten. Erst im Laufen wußte ich, es reicht für den Sieg !“, meinte die junge, sympathische Französin.

Damit gingen die Einzel-Titel bei den Frauen bis 2007 an Polen und Dänemark (je 5), Ungarn sowie Russland (je 4), Großbritannien (3), Schweden (2) bzw. die USA, Kanada, Italien, Weißrussland und nun Frankreich (je einen). Den ersten Titel hatte 1978 die Britin Wendy Norman gewonnen.

In den Team-Wettbewerben seit 1978 – auch hier der Auftaktsieger Großbritannien – holten sich bislang Polen (10), Großbritannien (7), Russland (5), Italien (2), Ungarn, Frankreich und jetzt in Berlin Weißrussland die Titel.

Interview mit Vize-Weltmeisterin Lena Schöneborn und Bundestrainerin Kim Raisner zum deutschen „Doppel-Schlag“ bei der WM

Frage: Lena, wie gelangt eigentlich eine junge Sportlerin wie Sie zu einer so „alten“ und traditionsreichen Sportart, wie den Modernen Fünfkampf ?

Lena: Das war eher Zufall. Ich suchte nach weiteren Trainingsmöglichkeiten für meine damalige Sportart Schwimmen und kam so zu den Fünfkämpfern. Ich habe mich dann in den anderen Disziplinen ausprobiert und es lief sehr gut. Der Moderne Fünfkampf war für mich eine neue Herausforderung, die ich meistern wollte. Es ergaben sich neue sportliche Perspektiven, die ich nutzen wollte.

Frage: Silber im Einzel und Silber in der Staffel – besser kann es doch gar nicht laufen – oder ?

Lena: Ich bin ganz einfach glücklich, dass es hier bei der Heim-WM in Berlin alles so wunderbar klappte. Dass es auch im Team Silber gab, ist die Verwirklichung eines Traumes. Schon jetzt kann gefeiert werden. Wir sind ein tolles Team, wo jede für die andere einsteht. Auch Claudia (Knack – Ersatzfrau) hat großen Anteil am Medaillen-Erfolg.

Frage: Frau Raisner, Team Deutschland bei den WM in Berlin präsentierte sich als ausgeglichene, starke Mannschaft. Selbst überrascht über den Erfolg ? Sie selbst wurden u.a. mit Lena Schöneborn Staffel-Weltmeisterin 2005. Hat die Zusammenarbeit da einen besonderen Charakter ?

Kim Raisner: Selbstverständlich wollten wir bei der WM in Berlin so gut wie möglich abschneiden. Dass es nun zweimal zu Silber reichte, ist der Hammer ! Natürlich wurde in der Vorbereitung auf die WM geschaut, wo sich die einzelne Athletin verbessern konnte. Und wir holten uns dann Unterstützung von „Spezialisten“ z.B. im Schießen oder Fechten. So konnten noch vorhandene Defizite bei den einzelnen Sportlerinnen beseitigt werden. Die Kooperation vor den WM in Berlin zwischen mir, als Bundestrainerin, und den einzelnen Heim-Trainern funktionierte auch bestens. Zudem zeigten die Athletinnen Biss, Kampfgeist und Ausgeglichenheit. Alles Garanten für den aktuellen Erfolg !
Und zur Zusammenarbeit: Die gemeinsame Arbeit ist schon etwas Besonderes. Man kennt sich ja ganz gut ! Aber dennoch ist die Arbeit zwischen uns sehr professionell. Die Mädchen wissen, was sie wollen und wissen auch, dass ich ihnen bei der Realisierung ihrer Ziele helfen kann. Als Trainerin respektieren sie mich und als Mensch, als „gute Freundin“, ebenso !

Frage: Die WM- Wettkämpfe begannen sehr früh – um 5 Uhr morgens mit dem Schießen. Um diese Zeit „schießt“ man doch eigentlich nur auf den „klingelnden Wecker zum Aufstehen“ ?

Kim Raisner: Naja, als Fünfkämpferin ist man frühen Wettkampfbeginn gewohnt. Wir trainieren ja auch schon im „Morgengrauen“. Daher ist es keine besondere Umstellung für uns, „zeitig“ Einsatz zu zeigen !

Frage: Nach den technischen Disziplinen und vermeintlichen „Schwachpunkten“, Schießen und Fechten, lagen Sie auf Platz 3. Im Schwimmen, ausgerechnet der Parade-Disziplin, „fingen Sie sich einen Krebs“, wie die Ruderer wohl sagen würden. Wenngleich auch Ihre Schwimm-Leistung letztendlich gut war. Nach dem Reiten galt für Sie hingegen die alte Weisheit: „Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“.
Wie lief der Wettkampf aus Ihrer Sicht ?

Lena: Fechten und Schießen lief überraschend optimal, obwohl ich auch intensiv in beiden Disziplinen vor Berlin noch einmal trainierte. Mein Pferd könnte ich knutschen ! Wir harmonierten auf dem anspruchsvollen Parcours optimal. Und im Laufen biss ich die Zähne zusammen. Ich wollte eine Medaille. Und der Wille kann ja bekanntlich „Berge versetzen“ !

Frage: Lena, Sie waren ohnehin die erste deutsche Sportlerin, die sich offiziell für Peking 2008 qualifizieren konnte. Steigerte das den „Adrenalin-Spiegel“ zusätzlich ?

Lena: Ich wollte ein gutes WM-Ergebnis erreichen – eine Platzierung unter den besten Acht. Nur „leise“ hegte ich Medaillenhoffnungen. Nun zweimal Silber – das ist der Wahnsinn. Natürlich gibt das noch einmal Selbstvertrauen in Richtung Peking.

Frage: Sie studieren ja in Berlin „Business Administration“ und sind – wie Berlin wieder bewies – eine top Fünfkämpferin. Wie gut funktioniert der „sportlich-studentische Tanz auf zwei Hochzeiten“ ?

Lena: Jetzt hatte ich gerade ein Semester voller Prüfungsstress. Ein Urlaubssemester wegen Peking werde ich aber nicht einlegen. Vielleicht belege ich im Wintersemester verstärkt Seminare, in denen „nur“ Hausarbeiten gefordert sind. Sicherlich kann ich wegen der olympischen Vorbereitungen nicht so viele Leistungskurse belegen wie zuletzt. Dennoch brauche ich – neben der sportlichen Aktivität – auch die geistige Herausforderung.

Kim Raisner (ergänzend): Für unsere Sportlerinnen und Sportler bemühen wir uns, die Trainer und der Verband, um eine Vereinbarkeit von Schule, Ausbildung und Studium einerseits und dem Sport andererseits. Die meisten Bildungseinrichtungen sind diesbezüglich sehr verständnisvoll, so dass die Athleten auf ihre berufliche Qualifizierung u n d den Sport nicht verzichten müssen.

Frage: Das deutsche Team ist noch sehr jung. Lena wurde mit Ihnen bereits Staffel-Weltmeisterin 2005. Janine Kohlmann, Eva Trautmann und Claudia Knack, die weiteren herausragenden Fünfkämpferinnen, sind ebenfalls noch „Youngster“. Beflügeln oder hemmen derartige Erfolge „in jungen Jahren“ ?

Kim Raisner: In erster Linie geben solche Erfolge Selbstvertrauen und Selbstsicherheit – das ist für das sportliche Weiterkommen enorm wichtig. Aber ich achte darauf, dass sich die Athletinnen nicht „überfordern“. Janine ist eine echte Kämpferin, obwohl sie eher „zart“ wirkt. Vor den einzelnen Wettbewerben versuche ich schon darauf hinzuwirken, dass die Athletinnen nicht „übermotiviert“ sind. Ich möchte kein Talent „verheizen“.

Selbst nach Erfolgen und guten Platzierungen in Serie frage ich nach, ob die einzelne (junge) Athletin nicht auch einmal eine (Wettkampf-)Pause einlegen will. Gerade in jungen Jahren muß man dem jeweiligen Sportler/der jeweiligen Sportlerin vermitteln, sich auf die wesentlichen sportlichen Herausforderungen zu konzentrieren.

Frage: In einem Jahr beginnt der olympische Wettkampf. Steht bereits der Wettkampf-Kalender bis dahin ?

Kim Raisner: Ja, die wesentlichen Wettbewerbe bis Peking sind geplant, aber es kann kurzfristig immer wieder zu Änderungen kommen. Zwei Höhen-Trainingslager, kurz vor Peking in der Schweiz und Anfang 2008, wahrscheinlich in Colorado Springs, wird es auf jeden Fall geben.

Lena und Eva, zum Beispiel, nehmen in diesem Jahr aber noch an der Junioren-WM im September in Portugal teil. Und dann haben sich alle erst einmal eine kleine Wettkampf-Pause verdient.

Frage: Nach der WM ist vor Olympia …
Wie geht es nun bis Peking weiter ?

L.Schöneborn (re.)Lena: Erst einmal wird gefeiert – bereits heute. Und dann wird Peking „ins Visier“ genommen !

M.Michels

 

Statistik

WM 2007 in Berlin

Damen-Einzel:

1. Amelie Caze (Frankreich) 2. Lena Schöneborn (Deutschland) 3. Laura Asadauskaite (Litauen)

Damen-Mannschaft:

1. Weißrussland (Hanna Archipenka, Anastasja Samusewitsch, Tatjana Masurkewitsch)

2. Deutschland (Lena Schöneborn, Janine Kohlmann, Eva Trautmann, Claudia Knack/Ersatz)

3. Russland (Ljudmilla Sirotkina, Tatjana Muratowa, Jewdokja Gritschischnikowa)

„Ewiger Medaillenspiegel“ – WM-Damen-Einzel:

Land-Gold-Silber-Bronze ( Top 8 )

1. Polen: 5-5-6 2. Dänemark: 5-1-0 3. Ungarn: 4-4-1 4. Russland: 4-4-1 5. Großbritannien: 3-3-7 6. Schweden: 2-0-0 7. Weißrussland: 1-3-1 8. Frankreich: 1-2-2

„Ewiger Medaillenspiegel“ – WM-Damen-Mannschaft:

Land-Gold-Silber-Bronze ( Top 8 )

1. Polen: 10-3-3 2. Großbritannien: 7-4-0 3. Russland: 5-4-4 4. Italien: 2-3-4 5. Ungarnb: 1-3-4 6. Weißrussland: 1-1-0 7. Frankreich: 1-0-2 8. Deutschland: 0-6-4

Statements zum WM-Wettkampf der Damen

Christian Schenk (Rostock/Zehnkampf-Olympiasieger 1988): Ich bin als Vertreter des Hauptsponsors DKB hier vor Ort. Es ist mein erster Live-Wettkampf im Fünfkampf, und ich bin – obwohl von Hause aus Zehnkämpfer – über die Vielseitigkeit und die Talente der Modernen Fünfkämpferinnen beeindruckt. In Berlin wurde super Sport geboten. Es ist das Ziel der DKB, möglichst viele hochkarätige Sportveranstaltungen nach Berlin zu holen.

Monique Kerschowski und Pia Marxkord (Turbine Potsdam/Fußball / U 19-Europameisterinnen): Wir sind beide von dieser WM und dem relativ großen Zuschauer-Interesse überrascht. Das ist echt geil hier – fast wie beim Fußball. Wir würden uns gern beim Schießen versuchen. Das können wir wohl von den Disziplinen des Modernen Fünfkampfes am besten 🙂

Klaus Schormann, Präsident des nationalen und internationalen Verbandes: Die WM hatte bisher eine hervorragende Qualität. Es wurde echte Werbung für diese Sportart geboten. Sportlich gesehen, kann man von einer „Wachablösung“ sprechen. Die „alten“, erfolgsverwöhnten Nationen, wie Ungarn, Polen oder Skandinavien, gingen leer aus. Den jungen Athletinnen gehört wahrlich die Zukunft ! Überraschend für mich war, dass die ungarische Olympiasiegerin Voros bei der Titel-Vergabe keine Rolle spielte.

 

Nach oben scrollen