Zurückgeblickt: Das „Internationale Festival der Verfemten Musik“ 2012

Nachgefragt bei Katharina von der Heide

Vor 11 Jahren, im Jahr 2001, fand erstmals das „Internationale Festival Verfemte Musik“ in der Landeshauptstadt statt. Seit 2002 wird es im Abstand von zwei Jahren regelmäßig in der Landeshauptstadt organisiert.
Schwerin mit seinem Lichtspieltheater/Kino CAPITOL, mit dem Schleswig-Holstein-Haus, mit dem Fridericianum, mit dem Konservatorium, natürlich mit dem Mecklenburgischen Staatstheater oder mit dem Goldenen Saal des Neustädtischen Palais bot würdige Stätten des Musizierens, des Interpretierens und des Meinungsaustausches.

Ohne war und ist Schwerin mit seiner wechselhaften Geschichte für dieses Festival besonders geeignet – als ehemalige Hauptstadt des Gaus Mecklenburg während des Nationalsozialismus und als ehemalige Bezirkshauptstadt während des real existierenden Sozialismus Stalinscher Prägung. Hier meinten einst Extremisten von Rechts und Links vorschreiben zu können, welche Musik hörenswert sei, welche „entartet“ welche dem „Klassenfeind zuzuordnen“ sei. Gerade während des Nationalsozialismus wurden die Werke deutscher Komponisten jüdischen Glaubens geächtet, verboten und aus dem deutschen Kultur-, ja Musik-Schatz verbannt.

Im 1936 eröffneten Capitol, in dem auch die Nationalsozialisten Veranstaltungen durchführten und das auch nach Kriegsende den neuen stalinistischen Machthabern als Versammlungsort diente und wo ebenfalls 1946 die erzwungene Vereinigung von KPD und SPD in Mecklenburg vollzogen wurde, trafen sich nun anno 2012 jüngere und reifere Interessierte zum „Filmforum Verfemt“, wobei auch die Zeitzeugin Esther Bauer, die 1942 als Achtzehnjährige in das KZ Theresienstadt deportiert wurde, eine gefragte Gesprächspartnerin war. Außerdem stellte Eva Fox-Gal, Tochter des Komponisten Hans Gal, das Schaffen ihres Vaters näher vor.

Der Höhepunkt des siebten „Internationale Festivals Verfemte Musik“ war jedoch zweifellos das Preisträgerkonzert des Interpretationswettbewerbes im Neustädtischen Palais im Goldenen Saal. Dabei wurden die ersten drei Preise, der NDR-Preis, ein Nachwuchsförderpreis und der Gál-Preis verliehen. Junge Künstlerinnen und Künstler aus 15 Nationen stellten ihr großes Können unter Beweis. Festivalleiter Volker Ahmels organisierte auch in diesem Jahr ein beeindruckendes, bewegendes und zugleich nachdenkliches  Festival.

Nachgefragt bei Katharina von der Heide vom „Internationalen Festival Verfemte Musik“

„Die Schülerinnen und Schüler waren tief beeindruckt …“

Frage: Frau von der Heide, sieben Tage „Internationales Festival Verfemte Musik“ – was waren für Sie persönlich die Höhepunkte?

Katharina von der Heide: Dieses Festival war so vielfältig, da es viele Höhepunkte gab. Das Zusammentreffen mit Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Herkunft, in unterschiedlichen Sprachen und mit unterschiedlichem Glauben war das schönste für mich.

Entdeckt habe ich die Kompositionen von Hans Gál und hoffe, dass er in Zukunft auch hier zu Lande zum gängigen Repertoire gehören wird, sind seine Werke doch harmonisch, gut zugänglich und dennoch spannungsreich. Besonderer Dank geht an die Tochter Eva Fox-Gál, die die ganze Festivalwoche in Schwerin war und ihren Vater dem Festivalpublikum  nahe gebracht hat.

Frage: Welche jungen Künstlerinnen und Künstler konnten mit ihren Interpretationen besonders beeindrucken?

Katharina von der Heide: Das Festival hatte zum ersten Mal ein Eröffnungskonzert mit einer Philharmonie – der jungen norddeutschen Philharmonie – im Großen Haus des Staatstheaters und eine Chor-Matinée mit zwei Chören veranstaltet. Mir persönlich hat die deutsch-englische Aufführung des Royal College of Music sehr gefallen, bei der unter anderem die humoristische Revue „What a life!“ von Hans Gál inszeniert wurde.
Bei dem Interpretationswettbewerb wurde insgesamt ein besonders hohes Niveau erreicht.

Frage: Wie war eigentlich die Resonanz bei den jüngeren Besuchern des Festivals?

Katharina von der Heide: Die Schüler und Schülerinnen waren tief beeindruckt von dem europäischen Schultheater „Esther leben“, dem Film „Einfach Esther“ und den Gesprächen mit Esther Bauer und den anderen Zeitzeugen. Unvergesslich für die jungen Musiker des Wettbewerbs ist die Herangehensweise an die Verfemte Musik.

Frage: Wie war die Meinung der internationalen Besucher/Künstler und der eingeladenen Zeitzeugen zum Festival in Schwerin?

Katharina von der Heide: Einige Zeitzeugen sind bereits Stammgäste des Festivals. Auch dieses Jahr waren Sie begeistert von der Stadt und dem Interesse, das ihnen von Jugendlichen entgegengebracht wurde. Die internationalen Festival-Gäste und Künstler zeigten sich wieder einmal beeindruckt von der historischen Stadt in wunderschöner Lage und dem abwechslungsreichen Programm.

Frage: Sogar der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, Shimon Stein, war zu Gast. War dieser ebenfalls vom Festival angetan?

Katharina von der Heide: Ja, der Botschafter a.D. Shimon Stein hatte sich bereit erklärt, im Rahmen des Festivals einen Vortrag über die aktuelle innen- und außenpolitische Situation zu halten. Das Interesse an aktuellen Problemen in Israel ist in Schwerin offenbar sehr groß, wie man an dem gut besuchten Abend im Schleswig-Holstein Haus sehen konnte.

Dem Festival ist es dabei immer wichtig, den Bogen zu schlagen – zwischen dem was vom Nazi-Regime zerstört wurde und dem, was im heutigen Israel passiert.

Vielen Dank und weiterhin bestes Engagement für das Festival Verfemte Musik!

Marko Michels

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