Flüchtlinge lernen Deutsch für den Arbeitsmarkt

Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge startet ersten Sprachkurs in Schwerin

Schwerin, 29.03.09 – Was muss ich bei einem Fax an Geschäftskunden beachten? Was bedeutet das Schild mit der Aufschrift „Fluchtweg“ und was will die Chefin von mir, wenn Sie nach dem Sozialversicherungsausweis fragt? Diese Fragen werden Mohamed in den kommenden Wochen beschäftigen: Beim Schweriner Bildungsträger SBW lernt der Bauingenieur aus dem Irak seit wenigen Tagen gemeinsam mit fünf weiteren Flüchtlingen Deutsch speziell für den Arbeitsmarkt. Wie die meisten der Kursteilnehmer hat sich Mohamed sein Deutsch bislang selbst beigebracht. Denn Anspruch auf einen Sprach- oder Integrationskurs hatte der Flüchtling, der vor sechs Jahren nach Deutschland kam und lediglich geduldet ist, hier nicht. Jetzt hofft Mohamed, der in einer Pizzeria jobt, Wissenslücken zu schließen und so seine Chancen auf einen festen Arbeitsplatz zu zu erhöhen.

Der berufsbezogene Deutschkurs ist die erste Weiterbildung, die das neue Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge in Westmecklenburg anbietet. Der aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderte Verbund hat sich zur Aufgabe gemacht, die bislang kaum geförderte Gruppe der bleibeberechtigten und langzeitgeduldeten Flüchtlinge in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten seit November vergangenen Jahres sieben Partner aus dem Bereich Flüchtlingsarbeit, Beratung, Aus- und Weiterbildung sowie Personaldienstleistungen Hand in Hand. Die Partner begleiten jeden einzelnen Flüchtling von der Erstberatung über die berufsbezogene Sprachförderung und Qualifizierung bis hin zur Einarbeitung beim neuen Arbeitgeber. Um die Einstellungschancen für Flüchtlinge zu erhöhen, bemühen sich die Netzwerkpartner außerdem, Unternehmen in der Region für den kulturellen Hintergrund und die Potenziale ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sensibilisieren.

Dass die Vermittlung der Flüchtlinge in Arbeit wahrscheinlich nicht einfach sein wird, wissen die Netzwerkpartner. In ihren Heimatländern haben die Kursteilnehmer als Sozialarbeiterin, Bauingenieur, Sekretärin, Qualitätskontrolleurin oder Apothekerin gearbeitet. In Deutschland werden diese Berufsabschlüsse nicht anerkannt. Die Mütter können zumeist nur in Teilzeit arbeiten, da sonst die Betreuung ihrer Kinder nicht gesichert ist. Auch ist ungewiss, ob alle Flüchtinge auf Dauer in Deutschland bleiben dürfen.

Netzwerkkoordinatorin Angela Leymannek (VSP) erklärt, warum die Flüchtlinge für einheimische Unternehmen dennoch eine interessante Zielgruppe sind. „Die Flüchtlinge, mit denen wir zusammenarbeiten, sind hoch motiviert. Sie wollen in Deutschland endlich ein normales Leben führen. Ihnen ist bewusst, dass sie hier aber nur eine Perspektive haben, wenn sie es schaffen, ihren Lebensunterhalt komplett eigenständig zu bestreiten“, erläutert sie. Zudem mache sich in Mecklenburg-Vorpommern allmählich der Fachkräftemangel bemerkbar. In der Hotel- und Gaststättenbranche werde teils schon händeringend nach Personal gesucht, ergänzt Axel Wojaczyk vom Netzwerkpartner DEHOGA MV e.V. Nicht zuletzt seien die Sprachkenntnisse der Flüchtlinge für das Tourismusland MV ein wertvolles Kapital.

Das Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge

Die Zielgruppe des Netzwerkes Arbeit für Flüchtlinge sind Bleibeberechtigte nach der gesetzlichen Altfallregelung (§ 104a/b Aufenthaltsgesetz) sowie langzeitgeduldete Flüchtlinge mit mindestens nachrangigem Zugang zum Arbeitsmarkt.mit Zugang zum Arbeitsmarkt. Aufgabe des Netzwerkes ist es, diese Menschen bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Das Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge wird im Rahmen des ESF-Bundesprogramms „Arbeitsmarktliche Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“ gefördert. Das Projekt wurde zunächst für den Zeitraum November 2008 bis Oktober 2010 bewilligt. Bundesweit erhalten insgesamt 43 Netzwerke Unterstützung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine solche Initiative.

Die Partner im Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge sind die Verbund für Soziale Projekte gGmbH (VSP), der Flüchtlingsrat MV e.V., die Agentur der Wirtschaft GmbH, der DEHOGA Mecklenburg-Vorpommern e.V., die Bildungsträger RegioVision GmbH und SBW Aus- und Fortbildungsgesellschaft mbH sowie der Arbeitsvermittler Balticpersonal GmbH.

Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern lebten am Stichtag 30.09.2008 insgesamt 499 Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß der gesetzlichen Bleiberechtsregelung (§ 104 a und b AufenthaltG, ugs. „Altfallregelung“). In 211 Fällen gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung. Abgelehnt wurden 51 Anträge. Darüber hinaus hielten sich 1.516 geduldete Flüchtlinge im Land auf. 729 Flüchtlinge lebten bereits länger als 6 Jahre in Deutschland.* Viele dieser langzeitgeduldeten Flüchtlinge haben einen zumindest nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt. „Nachrangig“ bedeutet, dass der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin vor der Einstellung nachweisen muss, dass die Stelle nicht mit einer deutschen Arbeitnehmerin bzw. einem deutschen Arbeitnehmer besetzt werden konnte.

Nicht alle MigrantInnen sind Flüchtlinge. So zählen beispielsweise SpätaussiedlerInnen aus der früheren Sowjetunion oder jüdische EmigrantInnen nicht zu den Flüchtlingen. Als Flüchtlinge im engeren Sinn gelten Asylberechtigte, Konventionsflüchtlinge (nach § 25(2) AufenthG/§ 26(3) AufenthG), Flüchtlinge mit Abschiebungsverbot, Flüchtlinge mit humanitärem Aufenthalt sowie Bürgerkriegsflüchtlinge (§ 24 AufenthG), Flüchtlinge mit Duldung (§ 60;60a AufenthG) und AsylbewerberInnen nach § 55 AsylVfG.

Altfallregelung

Mit dem „Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union“ wurde mit Wirkung vom 28.08.2007 eine gesetzliche Regelung für langjährig Geduldete in das Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) aufgenommen. Auf Grundlage dieser Regelung können langjährig Geduldete unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Bedingung für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis über den 31.12.2009 hinaus ist, dass der/die Bleibeberechtigte und die Familienangehörigen ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern und auch für die Zukunft eine entsprechend positive Prognose vorliegt.

Nach oben scrollen