Nachgefragt bei Edgar Hummelsheim
Die Bundestagswahl 2017 ist gelaufen. Der neue Plenarsaal im Schweriner Schloss ist eröffnet. Der deutschen Wirtschaft geht es gut…
In Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland wird dennoch so viel diskutiert und debattiert, wie lang nicht mehr – politisch und ökomisch. Ein Grund: die immer weiter ansteigende Soziale Ungleichheit. Dies nahm Schwerin-News zum Anlass und fragte nach beim Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Schwerin, Edgar Hummelsheim.
„Stark ausgeprägter Nachwuchs- und Fachkräftemangel im Bereich des Handwerks!“
Edgar Hummelsheim über die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks, den Fachkräftemangel, die Stellung der Facharbeiter, die Integration von Menschen mit Handicaps bzw. Migranten in den Arbeitsmarkt und seine Erwartungen an eine neue Bundesregierung
Frage: Die Wirtschaft in M-V soll boomen, es gibt Neu-Ansiedlungen in Schwerin, in Wismar oder in Ludwigslust, aber „irgendwie“ scheint der Aufschwung bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht anzukommen. Es gibt immer mehr sozialversicherungspflichtige Jobs, die aber Teilzeit sind, eng befristet und gerade einmal den Mindestlohn beinhalten. Was läuft da schief, Herr Hummelsheim?
Edgar Hummelsheim: Wir können nur für den Bereich des Handwerks sprechen und hier ist der Nachwuchs- und Fachkräftemangel mittlerweile stark ausgeprägt. Vor allem in den Bau- und Ausbaugewerken werden händeringend Leute gesucht. Viele Tarife haben daher stark angezogen, z.B. im Elektrohandwerk, wo 2016 die Tarifentgelte um insgesamt 17 Prozent erhöht wurden. Unternehmen, die ihre Beschäftigten schlecht bezahlen oder behandeln, werden in dem zunehmenden Wettbewerb um gute Kräfte nicht bestehen können. Es gibt bereits Tendenzen, dass Fachkräfte von anderen Betrieben mit mehr Geld abgeworben werden.
Frage: Was muss sich generell ändern? Was kann dazu die Handwerkskammer Schwerin beitragen?
Edgar Hummelsheim: Das Bewusstsein um die Bedeutung und die Wertschätzung für bestimmte Berufe, die für die Gesellschaft und das weitere Wirtschaftswachstum wichtig sind, muss wieder steigen. Unsere Aufgabe ist es, für die Attraktivität der Handwerksberufe zu werben, und gegenüber Politik und Gesellschaft deutlich zu machen, wie wichtig ein starkes handwerkliches Rückgrat für Mecklenburg-Vorpommern ist.
Frage: Alle sollen – meist auf Initiative der Eltern – studieren. Facharbeiter-Berufe gelten eher zweitklassig. Wie könnten aus Ihrer Sicht Lehrberufe interessanter und attraktiver gestaltet werden? Was raten Sie den heutigen Schulabsolventen?
Edgar Hummelsheim: Aktuell ist die Ausrichtung auf Abitur und Studium noch deutlich zu spüren, aber aus Politik und Gesellschaft fordern immer mehr Stimmen ein Umdenken. Zu Recht, denn die duale Ausbildung im Handwerk zählt zu den besten Grundsteinen, die man für sein Berufsleben legen kann. Danach stehen den jungen Menschen sehr viele Wege offen und studieren kann man nach einer Ausbildung immer noch.
Frage: Hochqualifizierte Menschen mit Handicaps, reifere Arbeitnehmer, gut ausgebildete Frauen oder qualifizierte Migranten streben auf den Arbeitsmarkt, bekommen aber kaum Chancen. Müsste hier die Politik, die Wirtschaft und Verbände gegen steuern, damit diese subtilen Diskriminierungen aufhören? Wie ist da Ihre Meinung?
Edgar Hummelsheim: Ich denke, dass auch auf diesen Feldern viel in Bewegung gekommen ist, aus den bereits genannten Gründe, dass die Fachkräftedecke sehr dünn geworden ist. So wird im Bereich der betrieblichen Gesundheitsvorsorge viel dafür getan, ältere Arbeitnehmer länger in den Unternehmen zu halten. Flüchtlinge und Migranten werden von uns in zwei Projekten auf eine berufliche Zukunft im Handwerk vorbereitet und es gibt bereits erste Erfolgsbeispiele für eine gelungene Integration. Die demografische Entwicklung macht den Arbeitsmarkt für die Unternehmen schwieriger, eröffnet auf der anderen Seite aber für Bewerber mit Vermittlungshemmnissen mehr Möglichkeiten.
Letzte Frage: Was erwarten Sie und die Handwerkskammer Schwerin von einer künftigen Bundesregierung?
Edgar Hummelsheim: An erster Stelle steht für uns die längst fällige Entlastung von Unternehmen und Beschäftigten bei Steuern und Sozialabgaben, die angesichts gut gefüllter öffentlicher Kassen längst hätte umgesetzt werden können. Wenn Löhne erhöht werden, sollte dies den Beschäftigten zugute kommen und nicht von der kalten Progression aufgefressen werden.
Vielen Dank!
Die Fragen stellte Marko Michels.