M.Schmitz über zurückliegende und kommende Wahlen sowie über die Zukunft Schwerins …
Die FDP ist anscheinend auf der politischen Überholspur. Galt sie bei „führenden Medien“ vor acht Jahren noch als Auslaufmodell, so können die Liberalen in Umfragen zur Bundestagswahl 2009 mit mittlerweile bis zu 15 Prozent Wählerstimmen rechnen.
Die FDP nähert sich damit der 20 Prozent-Marke von untern, die SPD, die auf Werte um 23 Prozent kommt, von oben.
Seit acht Jahren ist Dr.Guido Westerwelle, der im Frühsommer bereits die BUGA in Schwerin besuchte, der Parteivorsitzende. Unter seiner Ägide wurden und werden die Liberalen als selbstbewusste und eigenständig handelnde politische Kraft im Land wieder wahrgenommen.
Bei den Europawahlen konnte die FDP mit ihrer Spitzenkandidatin Dr.Silvana Koch-Mehrin 11 Prozent erreichen, das bislang beste Ergebnis bei den Wahlen zum europäischen Parlament.
Doch nicht nur auf Bundesebene hat die FDP Rückenwind. Bei den Kommunalwahlen am 7.Juni in M-V schafften die Liberalen 8,7 Prozent. Mit dem Landesvorsitzenden Christian Ahrendt und dem Generalsekretär Hagen Reinhold etabliert sich die FDP, die im Schweriner Schloss zwischen 1990 und 1994 mit der CDU regierte, hinter CDU, SPD und Linkspartei als viertstärkste politische Kraft in Mecklenburg-Vorpommern.
Inzwischen regiert die FDP in fünf Bundesländern mit: in Bayern (mit der CSU), in Baden-Württemberg, in Hessen, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen (jeweils mit der CDU).
In Schwerin erreichte die FDP bei der Kommunalwahl 6,4 Prozent und lag damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt.
Schwerin-News sprach mit dem Schweriner Kreisvorsitzenden Michael Schmitz über die letzten kommunalen Wahlen, den positiven Bundestrend für die FDP, die Situation in Schwerin sowie über die Schweriner Fraktionsgemeinschaft mit der CDU
„Ein `Weiter so` darf es weder in Berlin noch in Schwerin geben …“
> Frage: Die FDP konnte bei den Europa- und Kommunalwahlen MV historische Ergebnisse erreichen mit 11 Prozent bzw.8,7 Prozent in M-V. In Schwerin gab es für die FDP 6,4 Prozent. Wie beurteilen Sie die bundesweite – und auf Schwerin – bezogen kommunale Situation für die FDP ?
– Michael Schmitz: Die Ergebnisse muß man schon sehr differenziert betrachten. Im Landestrend haben die Liberalen gut abgeschnitten. Hier machte sich die engagierte und verstärkte Basisarbeit schon sehr bemerkbar. Es war letztendlich ein sich selbst stärkender Prozess. Es wurde vor Ort noch aktivere Kärnerarbeit geleistet, man brachte sich noch mehr ein und wurde deshalb auch stärker wahrgenommen.
Bundesweit bestätigte sich der Trend zur FDP. Es ist auf den ersten Blick überraschend, dass die wir Liberalen vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise so erheblich zulegen und das beste Ergebnis bei einer Europawahl erzielen konnten. Anscheinend vertrauen – und das zu Recht – viele Menschen der wirtschaftlichen Kompetenz und Berechenbarkeit der FDP. Es ist auch eine Würdigung der konstruktiven Oppositionsarbeit der Liberalen in Berlin.
In Schwerin ist es letztendlich nicht so gut gelaufen. Wir blieben knapp unter unserem Ergebnis von 2004.
> Frage: Die Zukunft der FDP soll in Schwerin gemeinsam mit der CDU gemeistert werden. Die Fraktionsgemeinschaft mit den Christdemokraten eine Liebesheirat ? ?
– Michael Schmitz: Nein, eine Liebesheirat in der Politik gibt es nicht. Diese Beziehung ist eher mit viel Pragmatismus verbunden, wenn auch in der Sache teilweise Übereinstimmung besteht. Ein „Weiter so“, also ein nahtloses Anknüpfen an die Fraktionsgemeinschaft der letzten Jahre, wird es nicht geben. Offen gesagt, ist die Entscheidung zur Bildung einer gemeinsamen Fraktion mit der CDU auch knapp ausgefallen.
Die FDP stellt knapp ein Viertel der Fraktion und auch den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Die CDU hat mit Sebastian Ehlers zudem einen neuen Fraktionsvorsitzenden, wobei auch die FDP personell größtenteils neu aufgestellt ist.
Neue Köpfe haben ja oftmals neue Ideen, ohne altbewährtes über Bord zu werfen. In der letzten Wahlperiode konnten die FDP-Vertreter wegen ihrer geringen Stärke liberale Politik nicht wirksam vermitteln.
> Frage: Da stellt sich dann die Frage: Mußte die Fraktionsgemeinschaft denn sein ? Es gibt Stimmen, die davon ausgehen, dass die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU den Liberalen in Schwerin in der Vergangenheit eher geschadet als genützt hat. Wie ist hierzu Ihre Meinung ?
– Michael Schmitz: Ja, deswegen wird es ein Anknüpfen an die Fraktionsgemeinschaft der letzten Wahlperiode mit uns Liberalen so nicht geben. Die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU war bei uns nicht sonderlich populär. Jedoch: Nur über eine Fraktion gab und gibt es die Möglichkeit, an der Arbeit in den Ausschüssen mitzuwirken.
Ein Stadtvertreter, dem dieses versagt bleibt, hat nur geringste Möglichkeit konstruktive Vorschläge auch umzusetzen. Ich mache daher auch keinen Hehl daraus: Die Zusammenarbeit mit der CDU muss gegenüber der Vergangenheit eine neue konstruktive Grundlage erhalten, um fortbestehen zu können.
Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass uns dies zum Wohle Schwerins gelingen wird.
> Frage: Viele Themen bewegen die Schwerinerinnen und Schweriner: im Großen -sicherlich die Wirtschafts- und Finanzkrise, drohender sozialer Abstieg, Hartz IV; im Speziellen – die Betreuungs- sowie Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche, die Zukunft des Sportzentrums belasso, u.v.m. Wie positioniert sich hier und da die Schweriner FDP ?
– Michael Schmitz: Bei vielen wirtschaftlichen Aktivitäten in Schwerin muß die Sinnhaftigkeit kommunalen Handelns stärker hinterfragt werden. Man sollte unternehmerische Ideen mit Perspektive und Ambitionen noch stärker unterstützen. Was das Thema belasso betrifft, so ist die Position der Liberalen eindeutig: Es ist nicht Aufgabe einer Kommune, ein Fitness-Studio zu betreiben.
Man sollte diese verlustbringende Einrichtung nicht weiter subventionieren und so schnell es geht veräußern oder schließen. Auch, ob man die WGS in der bisherigen Form so braucht, ist diskussionswürdig. Eine Aufspaltung unter Einbeziehung genossenschaftlicher Elemente wird zu prüfen sein. Zur sozialen Lage: Das beste Mittel gegen Armut sind Arbeitsplätze. Hier könnte noch engagierter mit anderen Regionen insbesondere der Metropolregion Hamburg zusammengearbeitet werden.
Ein weiteres Mittel bei der Armutsbekämpfung ist die Förderung und Verbesserung von Bildungsmöglichkeiten. Hier ist die Kommune als Schulträger gefragt. Die Ambitionen bezüglich kostenloser Mittagessen mögen auf dem ersten Blick zwar populär sein, sind aber eine finanzielle Fehlleistung, da nur ein Teil, sicherlich ein zu hoher Anteil, der Schülerinnen und Schüler auf ein kostenloses Mittagessen angewiesen ist, diese aber bereits vom Land unterstützt werden können.
Finanzielle Mittel sollte man hingegen in die Vernetzung der Bildungsträger investieren. Der – relativen – Armut zu entkommen, geht nur über bessere Bildungsmöglichkeiten, die zu einer qualifizierten Ausbildung und einem qualifizierten Arbeitsplatz führen. Bildung ist dabei allerdings umfassend zu verstehen und damit nicht isoliert von Sozialarbeit zu betrachten.
> Frage: Kaum ein Thema in der jüngeren Vergangenheit bewegte die Schwerinerinnen und Schweriner so sehr, wie das traurige Schicksal der kleinen Lea-Sophie. Auch hier gibt es Stimmen, die von einer unzulässigen Emotionalisierung aus politischem Kalkül ausgehen, da die Hauptschuldigen, die Eltern, letztendlich weitestgehend negiert wurden.
Im Rückblick bezüglich politischer Verantwortlichkeiten: War es ein Fehlverhalten einzelner Akteure oder versagte – in diesem Fall – die Politik auf ganzer Linie ?
– Michael Schmitz: Es war beides, um es klar und eindeutig zu sagen. Mich persönlich hat die Form der Aufarbeitung enttäuscht. Der Abschlußbericht spielte letztlich doch gar keine Rolle. Es wurde medial sehr in Ausschnitten und Tendenzen berichtet. Das Schicksal des Kindes berührte mich wirklich sehr.
Das ist nicht nur eine Floskel, sondern echte Anteilnahme. Wenn ein Kind stirbt, stirbt nun einmal auch ein Teil der Zukunft. Was mich aber bedenklich stimmt, ist die Tatsache, dass die Rolle der Stadtvertretung beim Personalabbau im Sozialbereich nie im Fokus stand.
Die Personalkürzungen wurden von der Mehrheit der Stadtvertretung beschlossen, und wer mit dem Finger nur auf andere zeigte, handelt pharisäerhaft. Am Ende wurde das Schicksal von Lea-Sophie instrumentalisiert, wurde zum Spielball parteipolitischer Interessen, was für mich ganz besonders schlimm ist.
Die Auseinandersetzungen in der damaligen Stadtvertretung erhielten, auch dank des Verhaltens einzelner Stadtvertreter in allen Lagern, ein Eigenleben und führten zu Eigen-Interessen. Ich spreche niemandem soziales Engagement ab, und ich bewundere jede und jeden, der sich für die Gesellschaft, für die Stadt einbringt.
Aber: Man hat das Schicksal von Lea-Sophie auch benutzt, um persönliche und politische Interessen durchzusetzen. Allerdings haben einige nie ihre eigenen Defizite aufgearbeitet, als es eben um die Sozialkürzungen ging.
Viele politische und handwerkliche Fehler waren natürlich auch ein erheblicher Grund, dass Lea-Sophie nicht doch gerettet werden konnte. Es war keine Sternstunde der Politik dass die Abwahl des unmittelbar politisch Verantwortlichen scheiterte!
> Frage: Ein anderes Thema, das immer noch emotionalisiert ist die DDR-Vergangenheit. Die Gegebenheiten in der DDR werden relativiert, Stasi-Mitarbeitern wird vergeben, von „kommoder Diktatur“ ist die Rede. Wie ist hier Ihre Position ?
– Michael Schmitz: Der DDR-Staat war ein Unrechtssaat. Sie war ja vom Selbstverständnis her eine Diktatur des Proletariates unter Führung der Partei der Arbeiterklasse, der SED, wie es im DDR-Sprachgebrauch hieß. Und Diktaturen sind immer Unrechtssaaten. Das schmälert jedoch nicht die Lebensleistung des Einzelnen.
Es gab Ärzte, Facharbeiter, Wissenschaftler, Sportler, u.v.m. die hervorragende Leistungen erzielten, die sich ehrlich, integer und aufrichtig verhielten. Das System wurde jedoch von oben aufgezwungen, die Mehrheit der Menschen in der DDR identifizierte sich doch nie mit dieser Staatsform. Ansonsten hätte es 1989 keine friedliche Revolution in der DDR gegeben. Die Position des Ministerpräsidenten Erwin Sellering, wonach die DDR kein Unrechtsstaat war, ist daher falsch.
Gerade der Ministerpräsident, der ja als Verwaltungsrichter an der Rehabilitation zu Unrecht verfolgter Bürger mitwirkte, welche die Opfer der DDR-Diktatur für ihren Einsatz gegen stalinistische Willkür würdigte, müsste es eigentlich besser wissen.
> Frage: In knapp drei Monaten ist die Bundestagswahl: Ihre Prognose ?!
– Michael Schmitz: Mit Prognosen halte ich mich lieber zurück. Nur so viel: Es geht um die Ablösung der Großen Koalition, die nicht wirklich Großes leistete und in der die Politik einen Stillstand erlebte. Die Opposition kann dann noch so viel konstruktive Vorschläge machen, noch sehr innovativ sein, wenn sich Christ- und Sozialdemokraten jedoch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigten, wurde es mit ihrer übergroßen Bundestagsmehrheit eben beschlossen.
Daher muß in Berlin ein Wechsel erfolgten. Ob nun zu Schwarz-Gelb oder Schwarz-Gelb-Grün, sei dahingestellt. Dieses müssen die Wählerinnen und Wähler entscheiden. Nur ein Weiter so darf es auch in Berlin nicht geben !
> Letzte Frage: Aus Ihrer persönlichen Sicht: Ist Schwerin wirklich eine Stadt zum Leben oder auf Dauer eher ein Altersheim mit Schlossblick ?
– Michael Schmitz: Auch in einem Altersheim wird mitunter sehr ausgelassen gelebt ! Aber ernsthaft: Schwerin ist eine sehr schöne Stadt, hat ein unglaubliches Potential, wie die BUGA gerade beweist. Über das landschaftliche Potential braucht man nicht viele Worte verlieren. Nur Schwerin nimmt diese touristischen Möglichkeiten zu wenig aktiv wahr.
Auch ist in der Stadtentwicklung anscheinend noch nicht hinreichend erkannt, dass die Entwicklung der Altstadt zwischen Schloss und Mecklenburgstraße höchste Priorität haben muss. Die Menschen kommen nicht wegen Shoppingcentern nach Schwerin – die es woanders im Dutzend gibt – sondern um eine einzigartige Stadtatmosphäre zu erleben. Damit vertragen sich verfallende Bauten und zu geringe touristische Infrastruktur nicht. Auch ist nicht hinreichend erkannt, dass Schwerin gerade noch am Rand der Metropol-Region Hamburg liegt.
Anstatt diese Chance zu nutzen, die wirtschaftlichen und bildungspolitischen Beziehungen in Richtung Hamburg zu vertiefen und auszubauen, versteht sich Schwerin nur als Landeshauptstadt. Ich lebe mittlerweile seit 16 Jahren in Schwerin, konnte das Aufblühen der Stadt miterleben. Leider bleibt Schwerin unter den eigenen Möglichkeiten, und blickt zuwenig über den Tellerrand von Mecklenburg-Vorpommern hinaus.
Aber vielleicht kann die neue Stadtvertretung in den kommenden Jahren viel Positives auf den Weg bringen.
Dann wird aus Schwerin zwar noch keine Boomtown, aber es könnten Zukunftsperspektiven geschaffen werden. Und ich bin fest davon überzeugt, wenn wir uns gemeinsam auf unsere Fähigkeiten besinnen und Schwerin entwickeln, können wir auch ohne Eingemeindungen – die nichts desto trotz notwendig sind – wieder über 100.000 Einwohner haben.
Die Fragen stellte: Marko Michels.
1.Guido Westerwelle, seit 2001 FDP-Vorsitzender. (Deutscher Bundestag)
2.Michael Schmitz, der Schweriner FDP-Kreisvorsitzende.
3.Ihr bestes Ergebnis bei einer Europawahl schaffte die FDP 2009 mit ihrer Spitzen-Kandidatin Dr.Silvana Koch-Mehrin – 11 Prozent. (Dr.S.Koch-Mehrin)
4.Die FDP wird gegenwärtig in Umfragen zur Bundestagswahl 2009 mit bis zu 15 Prozent Wählerzustimmung notiert.
5.Unter ihrem Parteivorsitzenden Christian Ahrendt erreichte die FDP bei den Kommunalwahlen 2009 in M-V 8,7 Prozent.
6./7.:.Ein „Jungbrunnen“ und ein Aktiv-Posten für die FDP sind die JuLis.
8.Die Geschichte der Liberalen in M-V ist eine Geschichte zwischen Widerstand, Gleichschaltung und Anpassung. Arno Esch, 1951 wegen seiner demokratischen Gesinnung ermordet, gehörte nach 1945 zu den Liberalen, die sich gegen die drohende stalinistische Diktatur wehrten. Zu ihnen gehörten u.a. auch Dr.Eduard Friedrich Stratmann oder Dr.Paul Friedrich Scheffler. Andere, wie Max Suhrbier und Horst Schomacker, brachten die LDPD in M-V jedoch an die Seite der SED. (MLHA)
9./10./11.Schwerin 2009 – zwischen BUGA und Kultursommer. mm