„Ring frei“ zum „Film ab“

Das 22. Filmkunstfest im Zeichen dreier Wettbewerbe, eines Gentleman und des Sportes

Am 30. April wird ganz Schwerin in den Mai tanzen, am Vormittag des 1. Mai wird am „Tag der Arbeit“ fleißig demonstriert und der Abend steht dann im Zeichen der Eröffnung des Filmkunstfestes 2012.

Im Jahr der Olympischen und Paralympischen Spiele in London gibt es auch für jene beste Unterhaltung zum Nachdenken, die sowohl dem Sport als auch dem Filmkunstfest verbunden sind. So wird im Dokumentarfilmwettbewerb „Henry Maske – Mein Leben.“ gezeigt. Am 6. Mai ist in der Reihe „ndr-special“ der Beitrag „Als aus Sportlern Spitzel wurden“ zu sehen. So bilden Sport, Sportpolitik und Filmkunstfest mitunter eine Symbiose.

Zurückgeblickt auf die Spiele 1988 in Seoul: Politik und Sport / Entwicklungen danach

Vor fast einem Vierteljahrhundert kämpften die beiden „Deutschländer“ noch getrennt um olympische Medaillen und Platzierungen. Damals fanden die Spiele in Ostasien, in Seoul/Südkorea, statt. Die Welt war in Bewegung. Michael Gorbatschow und seine neue Politik von Glasnost und Perestroika, angelegt um den real existierenden Sozialismus zu demokratisieren, um vielleicht doch noch die Grundlage für den „dritten Weg“ jenseits von „Beton-Kommunismus“ und „selbstgefälligem Kapitalismus“ zu finden.

Letztendlich wurden die kommunistischen und pro-kommunistischen Regime – durch die Wirkung der Gorbatschowschen Politik – in Europa, Asien, Afrika oder Lateinamerika nahezu hinweggefegt. Wer hätte schon im Olympia-Jahr 1988 geglaubt und gehofft, dass der totalitäre, menschenverachtende Kommunismus bis 1991 eine vernichtende historische Niederlage erleiden würde. Die Hoffnung auf eine neue, bessere Zukunft, auf eine sozialere und gerechtere Welt wuchs.

Sport überwindet Gräben

Im Jahr 1988 drückte man in Deutschland, auch viele Sportfans östlich der Elbe, einem Boris Becker (Deutschland-West) genauso die Daumen wie für Rad-Ass Olaf Ludwig (Deutschland-Ost), man hoffte auf Schwimmer Michael Gross (Deutschland-West) und auf Schwimmerin Kristin Otto (Deutschland-Ost), man litt mit Jürgen Klinsmann, nachdem das (west-)deutsche Fußball-Olympiateam so unglücklich nach Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Brasilien ausschied.

Man jubelte über den Olympiasieg des Schweriner Diskuswerfers Jürgen Schult genauso wie über das Olympiagold der Dressurreiterin Nicole Uphoff aus Duisburg. Man hoffte auf Steffi Graf – ihre Anhänger in Hamburg oder in München, aber ebenfalls ihre Anhänger in Rostock oder in Dresden. Man war euphorisch über das Gold des Rostocker Zehnkämpfers Christian Schenk und zeigte sich begeistert über den ersten Platz der Sport-Schützin Sylvia Sperber aus dem bayrischen Penzing.

Ganz besonders freuten sich viele Sportfans in West und Ost auch mit drei leidenschaftlichen, sympathischen und auch sehr attraktiven Damen aus Tauberbischofsheim, über den Sieg der deutschen Florett-Fechterinnen Anja Fichtel, Sabine Bau und Zita Funkenhauser im Einzel und im Mannschafts-Wettbewerb (Zum Team gehörten auch Annette Klug und Christiane Weber.).

MV-Sportvereine mit Erfolgen 1988

Für Sportvereine in Mecklenburg und in Vorpommern gab es Gold und Medaillen durch die Kanutinnen Ramona Portwich und Anke von Seck (beide Rostock). Der Rostocker Christian Schenk siegte im Zehnkampf vor dem Schweriner Torsten Voss. Gold und Silber über 800 Meter der Frauen sicherten sich Sigrun Wodars und Christine Wachtel (SC Neubrandenburg). Weitere Medaillen „Made in MV“ gingen an die Rostocker Turnerin Christine Thoms (Bronze), den Langstreckler Hansjörg Kunze (Rostock/5000 Meter/Bronze), Siebenkämpferin Anke Behmer (Neubrandenburg), Staffel-Läuferin Silke Möller (Rostock/Silber) und den Gewichtheber Andreas Behm (Stralsund/Bronze).

Ein Diskuswerfer des SC Traktor Schwerin schrieb in Seoul in dreifacher Hinsicht olympische Geschichte – Jürgen Schult. Einerseits gewann der Athlet vom SC Traktor Schwerin nicht nur mit dem damaligen olympischen Rekord von 68,82 Meter, andererseits wurde er an jenem für ihn goldenen ersten Oktobertag 1988 der letzte Olympiasieger der DDR – zwei Jahre später war der „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ von der politischen Landkarte verschwunden. Zudem ist Jürgen Schult mit dem 1988er Gold der (vorerst) letzte Schweriner Leichtathletik-Olympiasieger.

Boxsportliche Erfolge 1988 – auch für Sir Henry

Gold und zudem Silber sicherte sich bei den Spielen 1988 in Seoul auch die Box-Hochburg Schwerin: Andreas Zülow wurde Olympiasieger im Leichtgewicht, Andreas Tews Olympia-Zweiter im Fliegengewicht.

Im Weltergewicht triumphierte seinerzeit ein weiterer Deutscher aus der DDR – Henry Maske vom ASK Vorwärts Frankfurt/Oder, der bereits vorher, wie auch später von sich reden machte – mit dreimal EM-Gold im Amateur-Bereich (1985, 1987, 1989), Amateur-WM-Gold 1989, Weltcup-Gold (1985), drei DDR-Meistertiteln (1983, 1985 bis 1988) sowie einer beeindruckenden Profi-Karriere (1990-1996, Comeback 2007) mit Weltmeistertiteln und 31 gewonnenen Kämpfen (insgesamt 32 Profi-Kämpfe).

Überhaupt war das olympische Box-Turnier 1988 in Seoul ein äußerst niveauvolles – trotz des Olympia-Boykotts des kubanischen Teams. Die 48 Medaillen sicherten sich Boxsportler aus 25 Ländern, davon konnten 8 Nationen Goldmedaillen erringen.
Die erfolgreichste Box-Staffel stellte die USA (3 x Gold, 3 x Silber, 2 x Bronze) vor Korea (2 x Gold, 1 x Silber, 1 x Bronze) und der DDR (2 x Gold, 1 x Silber). Mit Reiner Gies im Halbweltergewicht konnte ein weiterer deutscher Boxer, Reiner Gies (1.FC Kaiserslautern/CSC Frankfurt/Main), eine Medaille – Bronze – erkämpfen.

Ansonsten gab es viele namhafte Sieger in Seoul, so den Keniaten Robert Wangila (Weltergewicht), Robert McKinney (USA/Bantamgewicht), Andrew Maynard (USA/Halbschwergewicht), Ray Mercer (USA/Schwergewicht) oder Lennox Lewis (Kanada/Superschwergewicht).
Roy Jones junior war im Finale im Halbmittelgewicht gegen den Lokalmatador Park Si-Hun klar der Bessere, verlor skandalös mit 2:3 und wurde letztendlich – als Wiedergutmachung –  mit dem Val-Barker-Pokal als technisch bester Boxer in Seoul ausgezeichnet.
Tja und auch Henry Maske war einer der ganz Großen bei den Spielen 1988.

Von Seoul 1988 nach Schwerin 2012

Nun beim Filmkunstfest MV 2012 in Schwerin wird im Dokumentarfilmwettbewerb der Beitrag „Henry Maske – Mein Leben“ von Sabine Michel zu sehen sein. Der Ausnahme-Boxsportler wird dabei am 5. Mai 2012 vor Ort sein. Eine echter Höhepunkt beim Filmkunstfest 2012, aber es gibt weitere …

So gibt es 2012 drei Wettbewerbe: für Spielfilme, Kurzfilme und Dokumentarfilme. Insgesamt werden an den sechs Tagen 15 Premieren zu sehen sein. Der diesjährige Ehrenpreisträger ist Otto Sander. Die Länderreihe Russland – Russland ist ja Gastland des Festivals – lockt mit interessanten Film- und Kunst-Beiträgen, wobei ja Kunst und Film ohnehin zusammen gehören. Insgesamt werden auf dem 22. Filmkunstfest mehr als 100 Filme zu sehen sein, darunter der Dokumentarfilm „Das Capitol“ von Trevor Peters aus dem Jahr 1992 (Im Dezember 2011 feierte das Lichtspieltheater und Kino CAPITOL in Schwerin seinen 75. Geburtstag!).
Ansonsten werden viele namhafte Künstler in Schwerin zu Gast sein. In der Jury sind unter anderem mit Ulrich Matthes, Katrin Sass, Winfried Glatzeder, Maria Schrader oder Jule Böwe großartige Schauspielerinnen und Schauspieler vertreten.

Ein glanzvolles Rahmenprogramm rundet das Filmkunstfest 2012 (1. – 6. Mai) ab – zwischen E-Werk, Schleswig-Holstein-Haus, Staatlichem Museum, dem Festivalclub im Stadtkrug, dem Speicher und natürlich dem Capitol gibt es neben cineastischen Höhepunkten auch Ausstellungen, Vorführungen, Konzerte (auch die Puhdys sind vor Ort!), Talk, Lesungen und weitere geistige Genüsse.

Dann „Ring frei“ zum „Film ab“!

M. Michels

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