Bürgerrechtler Heiko Lietz im Interview

Über aktuelle Entwicklungen in Deutschland und der Welt. Schwerin-News fragte nach

Die Welt ist in Unruhe. Die friedlichen Revolutionen in vielen arabischen Ländern, jetzt die ungeheure Naturkatastrophe im nördlichen Teil Japans mit Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch und möglichem AKW-Super-GAU. Tausende Tote, deren Anzahl noch gar nicht beziffert werden kann, zig Tausende Obdachlose sind nur einige der schlimmsten Folgen …
Wie kann kurzfristig geholfen werden?

Vier Fragen aus aktuellem Anlass an den Bürgerrechtler Heiko Lietz

„Unsere scheinbar geordnete Welt gerät an immer mehr Stellen immer mehr aus den Fugen!“

Fragen: Die Welt ist in Aufruhr angesichts der Geschehnisse in der arabischen Welt und nun – durch Erdbeben und Tsunami sowie AKW-Schäden – in Japan. Wie bewerten Sie die Ereignisse?

Heiko Lietz: Sie machen mir unübersehbar deutlich, dass unsere scheinbar geordnete Welt an immer mehr Stellen immer mehr aus den Fugen gerät. Diese Ereignisse sind eine eindringliche Botschaft an uns, genauer wahrzunehmen, ob wir uns im menschlichen Zusammenleben und in dem Umgang mit der Natur wirklich noch angemessen verhalten.

Die AKW-Schäden sind ein unübersehbares Zeichen an der Wand, dass es Dinge gibt, die wir in keinem Falle beherrschen können, selbst wenn wir uns noch so viel Mühe geben.  Die Situation jetzt auch in Japan ist vergleichbar mit der Situation, auf die uns schon Goethe in seinem  „Zauberlehrling“ hingewiesen hat: “ …die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“

Frage: Viele Menschen in Schwerin und in ganz M-V wollen helfen. Wie könnte aus Ihrer Sicht diese Hilfe kurzfristig aussehen?

Heiko Lietz: Sofern direkte finanzielle oder Sachhilfe möglich ist, sollten wir sie unbedingt nutzen. Eine andere wichtige Möglichkeit ist es, sich den montäglichen Mahnwachen in Schwerin anzuschließen, die es jedem ermöglichen, sich mit den Opfern des Atomunfalls zu solidarisieren und gemeinsam mit ihnen für eine atomenergiefreie Zukunft zu kämpfen.

Frage: Welche Lehren lassen sich aus den Ereignissen in der arabischen Welt und in Japan ziehen?

Heiko Lietz: Da es sich hier um zwei ganz unterschiedliche Bereiche handelt, möchte ich sie auch entsprechend getrennt voneinander behandeln.

Was wir 1989 in der DDR und im ganzen Ostblock erlebt haben, vollzieht sich jetzt 20 Jahre später im gesamten arabischen Raum. Die Zeit der unbegrenzten und volksfeindlichen Machtausübung von Diktatoren und  Monarchen geht auch hier endgültig zu Ende. Auf Dauer lässt sich kein Volk unterdrücken und lassen sich keine Menschen ihrer angeborenen Würde berauben. Ein Segen ist es, wenn der Übergang gewaltfrei erfolgen kann. Aber das gelingt leider nicht immer und nicht überall, wie wir gerade schmerzlich erfahren. Aber zur Freiheit gibt es schlussendlich keine Alternative, die ein leben in Würde ermöglicht.

Die für mich eindeutige Konsequenz aus den Erfahrungen Japans ist, endgültig und unwiderruflich ab sofort und für alle Zukunft auf jede weitere friedliche Nutzung der Atomenergie zu verzichten. Entweder lernen wir es wieder, uns wieder in den Grenzen einzurichten, die für uns auch überschaubar, maßvoll und gestaltbar sind und in denen wir gut leben können, oder wir werden alle an unserer eigenen Maßlosigkeit zu Grunde gehen.

Nicht zuletzt: Wie bewerten Sie die innenpolitische Situation in Deutschland nach der Hartz IV-Diskussion und der immer noch hohen Kinder-Armut?

Heiko Lietz: Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu den modifizierten Hartz IV Gesetzen auf Bundesebene hat mir wieder erschreckend deutlich gemacht, dass die Parteien, die diesem Kompromiss zugestimmt haben, das Fundament des Grundgesetzes in unverantwortlicher Weise erneut gefährden und missachten.

Sie sind von der Arroganz durchdrungen, dass  die Würde des Menschen ein verhandelbares Gut entsprechend der Kassenlage eines Haushalts sein kann. Erschrocken bin ich darüber, dass das auch für viele Menschen bei ihrem Wahlverhalten keine wichtige Rolle zu spielen scheint. Diese Menschen  nehmen die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft in Reiche und Arme nicht nur billigend in Kauf, sondern sie vertiefen diese auch noch ganz bewusst durch ihr Verhalten.  Das macht mich außerordentlich betroffen. Aber glücklicherweise gibt es auch hier eine Alternative!

Vielen Dank und weiterhin viel Kraft für Ihre vielfältigen gesellschaftlichen Aktivitäten!

Marko Michels

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