Claussen zum jetzt vorgelegten verwaltungsinternen Bericht zum Tod der kleinen Lea-Sophie

Im November des vergangenen Jahres ist mitten unter uns ein kleines Mädchen an den Folgen von Vernachlässigung gestorben.

Lea-Sophie bekam wochenlang nichts zu Essen, nichts zu Trinken von ihren Eltern. Die Anteilnahme in unserer Stadt war und ist groß, wir alle sind betroffen und tief erschüttert. Viele Fragen stehen im Raum, die eine Antwort suchen. Auch Fragen, die sich an die Stadtverwaltung richten“, so OB Norbert Claussen. „Entsprechend meines Auftrages hat die verwaltungsinterne Untersuchungsgruppe gestern Abend, 31. Januar 2008, den Bericht zum tragischen Tod der kleinen Lea-Sophie vorgelegt. Dieser wird zusammen mit einer ersten Einschätzung der Verwaltung am heutigen Tag auch den Mitgliedern des zeitweiligen Ausschusses der Stadtvertretung übersandt.“ Darin finde sich die lückenlose Aufzählung der Ereignisse. Allerdings, so Oberbürgermeister Claussen, dürfe die Kritik nicht bei der schlechten Organisation der Arbeit stehen bleiben.

Der Oberbürgermeister erinnerte daran, dass er bereits am 22. November 2007 bezüglich der tragischen Ereignisse sagte, dass die Mechanismen offensichtlich nicht ausgereicht haben.“ Nach damaligem Kenntnisstand und auf Basis der ersten Einschätzung des zuständigen Dezernates war ein vorwerfbares Versäumnis nicht feststellbar. In der Zwischenzeit haben sich eklatante Versäumnisse und organisatorische Mängel“ feststellen lassen. Claussen: „Daraufhin hat die Verwaltung den Jugendbereich am 10. Januar 2008 umstrukturiert.“

Nach den Erkenntnissen des jetzt vorliegenden Berichtes kommt OB Norbert Claussen zu folgender erster Einschätzung: Bereits beim ersten Gespräch des Großvaters mütterlicherseits im Jugendamt, spätestens aber beim zweiten Gespräch des Großvaters lagen genügend Anhaltspunkte für eine mögliche Kindeswohlgefährdung vor. Ein Handeln in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise wäre dringend erforderlich gewesen. Die jeweiligen Mitarbeiter haben die Gespräche im Gegenteil aber als „Beratungsgespräche“ eingeordnet, die Vermerke schlicht weggelegt und die Arbeitsanweisung damit missachtet.
OB Claussen: „Hätte der Großvater seine Sorge als anonymer Anrufer kundgetan, so hätte sich das Jugendamt sofort um Lea-Sophie gekümmert. Deshalb war es fatal, dem Großvater die Einschätzung zu überlassen, ob eine „Kindeswohlgefährdung’ vorliegt oder nicht. Denn kaum ein Vater wird gegenüber einer Behörde eingestehen, dass die eigene Tochter sein Enkelkind sträflich vernachlässigt. Deshalb hätte sich das Jugendamt zwingend ein eigenes Bild vom Zustand der kleinen Lea-Sophie machen müssen.“

Insgesamt, so Claussen, ergebe sich der Eindruck, dass die neue Qualität der Arbeit der Jugendämter bei Kindeswohlgefährdung, die mit der Einfügung des § 8a in das SGB VIII im Jahr 2005 erreicht werden sollte, in den einzelnen Verfahren und in der täglichen Arbeit im Schweriner Jugendamt noch nicht erreicht ist.

Aus diesem Grunde würden für das Jugendamt folgende Regeln aufgestellt: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind ständig zu qualifizieren, Supervisionen sollen grundsätzlich stattfinden. Die Verfahrensabläufe sollen insbesondere das 4-Augen-Prinzip durchsetzen. Die Organisation des Amtes muss insbesondere den qualifizierten Umgang mit Fällen der Kindeswohlgefährdung sichern („Kinderschutzbeauftragter“). Zu prüfen ist, die Bündelung aller Informationen zu einer dem Jugendamt bereits bekannt gewordenen Familie in einer so genannten „Elternakte“, wie sie in Hamburg eingeführt wurde. Darüber hinaus sind in den Sozialräumen der Stadt Netzwerke aus- und aufzubauen, die den Bedarf an Hilfe frühzeitig offenbaren und so die Gefahren für das Wohl der Kinder gering halten.

Bereits der Geschäftsführer des ISA M-V, Herr Lindig, der in der verwaltungsinternen Untersuchungsgruppe als Experte mitgearbeitet hat, kritisiert in seinem Berichtsteil die Arbeit des Jugendamtes. Wie angekündigt werden sich in den nächsten Tagen zwei weitere externe Gutachter der Leiter des Landesjugendamtes Berlin, Wolfgang Penkert, und der Wissenschaftler Professor Freigang von der Hochschule Neubrandenburg zum Bericht äußern. Oberbürgermeister Claussen will die Einschätzungen dieser Fachleute in seine abschließende Bewertung einbeziehen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls „weitere notwendige organisatorische und personelle Entscheidungen treffen“.

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