Chordirektor Ulrich Barthel im Interview
Eine Theater-Ära geht zu Ende. Joachim Kümmritz, der seit fast vierzig Jahren, seit 1979, am Mecklenburgischen Staatstheater tätig ist, seit 1999 als Generalintendant und Geschäftsführer, übergibt im August den „Staffelstab“ an Lars Tietje. Zum Abschied wird mit Verdis Erfolgsoper „Aida“ (8. Juli bis zum 14. August) noch einmal Kunst und Können vom Feinsten geboten.
Schon 1999 feierte „Aida“ einen legendären Erfolg bei den Schweriner Schlossfestspielen. 2016 sind mehr als 200 Mitwirkende auf der 30 mal 30 Meter großen Bühne vor der Kulisse des Staatlichen Museums, flankiert vom Mecklenburgischen Staatstheater und vom Schweriner Schloss, zu sehen und zu hören. 300 Kostüme mussten genäht werden. Solisten aus ganz Europa, Südkorea, Australien und Südafrika wurden verpflichtet. Nicht unumstritten wirkt in allen Aufführungen sogar eine Elefant mit. Erstmals bei Schlossfestspielen spielt die Mecklenburgische Staatskapelle unter der musikalischen Leitung von Gregor Rot. Es sind hochklassige Gesangsleistungen zu hören, die vor allem auch von einem großartigen Chor kommen – dem Chor des Mecklenburgischen Staatstheaters.
Interview
Wie verliefen die Proben und die bisherigen Auftritte bei „Aida“ 2016? Wie sieht der Chor-Alltag während einer Spielzeit aus? Was waren die künstlerischen Höhepunkte der letzten Jahre? Wie sieht die Zukunft des Chores aus? Wir haben mit Ulrich Barthel, Chordirektor des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin seit der Spielzeit 2007/2008, gesprochen.
„Ein wichtiger Teil des Hauses…“
„Aida“ feierte auch 2016 eine glänzende Premiereveranstaltung. Wie verliefen eigentlich die Proben? Wird auch während des Zeitraumes der Schlossfestspiele noch ein wenig probiert?
Ulrich Barthel: Wir proben auch während der Schlossfestspiele. Ich bin ja jeden Abend auch vor Ort, weise noch einmal auf die Besonderheiten hin. Am Abend vor einer Aufführung trifft sich der Chor, bespricht worauf man am jeweiligen Tag achten müsste, was bislang gut war und wo noch etwas verändert werden könnte. Aber im Prinzip laufen die Vorstellungen und es geht nur noch um das Justieren von ein paar Feinheiten, auf die ich den Chor hinweise.
Ansonsten verliefen die Proben insgesamt gut. Das Wetter spielte auch mit, so dass sie entsprechend draußen bestritten werden konnten. Die Freiluft-Proben begannen dabei Ende Mai. Die eigentlichen Chor-Proben laufen hingegen schon länger. Ende Januar bzw. Anfang Februar waren dabei schon die ersten Proben mit dem Extra-Chor. Nach und nach setzte sich dann alles zusammen, bis am 8. Juli die erste Vorstellung erfolgte.
Was sind aus Ihrer Sicht die besonderen Herausforderungen, die „Aida“ an die Sängerinnen und Sänger eines Chores stellt?
Ulrich Barthel: Es ist insgesamt betrachtet eine sehr dankbare Oper. Sie ist sehr bekannt, gerade für ihr „Triumph-Bild“, wenn zwischendurch der Triumph-Marsch gespielt wird. Eine große Chor-Nummer, bei der man letztendlich fast 25 Minuten ununterbrochen auf der Bühne ist. Das macht Freude auch zum Mitmachen. Es ist ein wenig die Herausforderung, dass sich die einzelnen Kolleginnen und Kollegen öfter umziehen müssen. Sie sind einerseits Priester, dann Soldaten, die feine Gesellschaft oder noch einmal Priester, müssen sich drei- bis viermal am Abend umkleiden, um in verschiedene Rollen zu schlüpfen.
Wie kann man sich eine Theater-Spielzeit (einschließlich Schlossfestspiele) für den Chor des Mecklenburgischen Staatstheaters vorstellen? Wie oft findet man sich zusammen? Wie viele Einsätze gibt es während einer Spielzeit?
Ulrich Barthel: Der Chor ist ja letztendlich ein fester Bestandteil des Mecklenburgischen Staatstheaters. Der Chor hat ja 28 Sängerinnen bzw. Sänger, in der nächsten Spielzeit 27. Da wird – wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch – fast jeden Tag gearbeitet und der Chor ist je nach Spielplan in den Vorstellungen besetzt. Mitunter sind es größere Aufgaben, durchschnittlich sind es ein bis zwei Vorstellungen pro Woche. Und ganz „geballt“ jetzt bei „Aida“ mit 23 Aufführungen zwischen dem 8. Juli und 14. August, jeweils von Donnerstag bis Sonntag.
Jeden Tag wird probiert, mal im Chor-Saal die musikalischen Proben, mal auf der Bühne die szenischen Proben. Dann gibt es noch den Extra-Chor, der die größeren Produktionen personell und gesanglich verstärkt. Der trifft sich einmal pro Woche und ist bei den Endproben letztendlich auch öfter dabei.
Dazu kommt noch die Singakademie, die ich ebenfalls betreue, die aber unabhängig vom Theater agiert. Des Weiteren gibt es einen Kinder-Chor, aus dem man den Nachwuchs für die Singakademie gewinnt. Es ist eben eine Menge zu tun.
Sie sind seit neun Jahren am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Wenn Sie die letzten Jahre so Revue passieren lassen: Was waren für Sie die Höhepunkte? Wo „hakte“ es mitunter?
Ulrich Barthel: Also die Punkte, die „hakten“, die vergisst man schnell! Die Höhepunkte für mich persönlich waren die Schlossfestspiele 2012 mit dem „Bajazzo“. Es war eine geniale Zusammenstellung mit Zirkus, Musik und auch begeisterten Kindern, die ganz fasziniert von der Vorstellung waren. Im Haus gab es zudem tolle Produktionen, beispielsweise einen wunderschönen „Barbier von Sevilla“. „Ausreißer nach oben“ waren der „Sommernachtstraum“ oder „The Producers“, obwohl der Chor dort „nur“ an der Seite stand. Gerade wenn alle Sparten zusammen wirken, ist es für das gesamte Haus sehr gut, weil dann jeder seine Stärken präsentieren kann.
Zurück zu den Schlossfestspielen. Wird es nach der letzten Aufführung von „Aida“ am 14. August für alle erst einmal eine Auszeit geben? Wann beginnen die ersten Proben für die nächste Spielzeit?
Ulrich Barthel: Ja, der „Vorhang“ fällt am 14. August und dann beginnen die regulären Betriebsferien, die einen Monat dauern werden. Am 15. September fangen wir dann mit der neuen Spielzeit an, mit einem neuen Team, um die Premieren 2016/17 vorzubereiten. Bereits eine Woche vor „Ferien“-Ende probe ich aber bereits mit der Singakademie.
Was wünschen Sie sich für das Mecklenburgische Staatstheater und Ihren Chor für die Zukunft?
Ulrich Barthel: Ich hoffe sehr, dass wir weiterhin so gut als wichtiger Teil des Hauses wahrgenommen werden, wir unsere derzeitigen Stellen behalten können und dass sich die Richtung vielleicht etwas ändert – wir nicht weniger werden, sondern sogar noch mehr werden können… Eigentlich sind wir jetzt schon zu wenige. Denn es ist so: Stellen können nicht nachbesetzt werden und damit werden wir – um es salopp zu sagen – immer „reifer“. Auch wenn das Geld „überall“ knapp wird, sollte hier ein Umdenken erfolgen. Kultur ist äußerst wichtig und ein gut ausgestatteter Chor gehört dazu. Ein Chor, den ich sehr gern leite!
Vielen Dank
M.Michels
Wissenswertes zu Aida:
Die Uraufführung von „Aida“ fand vor 145 Jahren zur Eröffnung des Suezkanals statt. Sie war ein Auftragswerk des damaligen Khediven Ismail Pascha. Erst nach einigem Zögern und nach Bekanntwerden, dass sonst sein Erz-Rivale Richard Wagner den Auftrag erhalten würde, willigte Verdi ein. Das Werk, das von „verbotener“ tödlicher Liebe, Eifersucht, Verrat, Missgunst sowie Gier und Eroberungen handelt, wurde zu einem Welterfolg.
„Aida“ spielt auch in einem berühmten Karl May-Klassiker eine gewisse Rolle. In „Der Schut“ ist jene Oper der Anlass einer Reise des Dir David Lindsay, einem „Verbündeten“ von „Kara Ben Nemsi“ alias „Old Shatterhand“.