Goldenes Wintermärchen

Mecklenburger und Vorpommern bislang 15 Mal am WM-Medaillen-Ball

Besten Handballsport bei der WM 2007 boten die Teams aus Ungarn und Slowenien ! (Aufnahme: Michels)Nach 25 Jahren, nach den Welt-Titelkämpfen 1982, fand eine WM im Hallen-Handball wieder in Deutschland statt und das DHB-Team um Trainer Heiner Brand wurde völlig überraschend Weltmeister. Im Finale in Köln wurde Polen mit 29:24 Toren bezwungen. Nach 1938 und 1978 ist der Titel`07 nun der dritte für Deutschland. Den Bronze-Rang anno 2007 belegte Dänemark vor Frankreich.

Auch in unserem Bundesland, speziell u.a. in Schwerin, war der Hallen-Handball in der Vergangenheit eine Erfolgsstory: Insgesamt konnten bislang 15 Mecklenburger und Vorpommern seit 1958 Medaillen bei Hallen-WM im Handball erkämpfen: 1958 gab es Bronze für Hans Beier, Jürgen Hinrichs, Klaus-Dieter Matz, Günter Mundt und Wolfgang Niescher (ehemals Greifswald), 1970 folgte Silber für den Ex-Wismaraner Klaus „Jimmy“ Prüsse, Reiner Ganschow, Klaus Langhoff, Gerhard Gernhöfer, Peter Randt (alle Rostock) sowie Josef Rose (Ahlbeck), 1974 wurden die Rostocker Reiner Ganschow, Wolfgang Böhme mit dem Ahlbecker Josef Rose Vize-Weltmeister hinter Rumänien und jeweils Bronze erspielten 1978 Frank-Michael Wahl, Wolfgang Böhme bzw. Helmut Wilk (Rostock) und 1986 Rüdiger Borchardt zusammen mit Frank-Michael Wahl (wiederum alle Rostock).

Der Wahl-Greifswalder Wolfgang Niescher wurde 1959 Feld-Handball-Weltmeister, wie vier Jahre später, 1963, Rostocks Ausnahme-Torhüter Klaus („Jimmy“) Prüsse.

Der Olympiasieg von Frank-Michael Wahl und Hans-Georg Jaunich 1980 war aber das bislang Allergrößte für den Herren-Handballsport in M-V !

Übrigens: Der langjährige Spieler und Trainer bei Post Schwerin, Holger Schneider, schaffte 1990 ebenfalls eine WM-Teilnahme. Die Wismarer Spielerinnen Heike Axmann oder Waltraut Koch kamen ebenfalls zu weltmeisterlichen Ehren.

„WM-Leistung war phänomenal !“

Dr. Wolf-Dieter Schmidt (Greifswald), Präsident des Handballverbandes M-V, bei einer Verbandstagung 2006. (Aufnahme: Archiv/Dr.W.-D.Schmidt)Dr. Wolf-Dieter Schmidt (Greifswald), Präsident des Handballverbandes M-V, über die WM-Euphorie in Deutschland, die Bundesliga-Vereine aus M-V und die allgemeine Entwicklung des Handballsportes in M-V, u.a. in Schwerin

Frage: Das deutsche Team übertraf mit dem Weltmeistertitel alle Erwartungen. Was waren die Gründe für dieses „Wintermärchen“ des deutschen Handballsportes ?

Dr. Schmidt: Heiner Brand ist ein klasse Bundestrainer und hat es – allen Pessimisten zum Trotz – geschafft, ein homogenes Team aus jungen und erfahrenen Spielern zu formen. Bereits als Spieler war Heiner Brand außergewöhnlich, als Trainer übertraf er diese Erfolge noch. Ob Pascal Hens, Christian Schwarzer, Michael Kraus oder Henning Fritz – alle waren zur WM top-fit. Es ist ein besonderer Verdienst von Heiner Brand, dass er weiter an Torhüter Henning Fritz, trotz dessen Formkrise vor der WM, glaubte. „Fritze“ war ein Garant für den deutschen WM-Erfolg !

Frage: Die WM-Begeisterung in ganz Deutschland, so auch in M-V, war einzigartig. Erleben wir eine „Renaissance“ dieser Sportart in Deutschland ?

Dr. Schmidt: Die WM hat die handballsportliche Stimmung unglaublich positiv beeinflußt. Sicherlich hätte man den Schub dieses Großereignisses bereits früher nutzen können, z.B. für eine noch größere Werbung für den Handballsport an den Schulen. Das wäre sicherlich der Nachwuchsgewinnung zugute gekommen. Aber dennoch: Mit dieser WM-Begeisterung hat sich der deutsche Handball neben dem Fußball als zweite Ballsportart behauptet. Viele WM-Stars der verschiedenen Länder-Mannschaften spielen in der ersten Bundesliga, eine der stärksten Ligen der Welt. Das entfachte eine zusätzliche „Magnetwirkung“ in puncto WM-Interesse hierzulande. Einerseits sind die vielen ausländischen Weltklasse-Spieler in der ersten Bundesliga ein Positivum, andererseits blockieren sie auch Plätze für den deutschen Nachwuchs. Hier gilt es aufzupassen, dass sich die deutschen Talente dennoch entfalten können, damit die deutsche Nationalmannschaft auch künftig „oben“ mitspielt.

Frage: Auch M-V hat eine Erfolgstradition im Handball. Frank-Michael Wahl bzw. Hans-Georg Jaunich waren Olympiasieger 1980. Klaus Prüsse oder Wolfgang Niescher erkämpften WM-Titel im Feld-Handball. Reiner Ganschow oder Hartmut Wilk, um nur zwei Namen aus dem Bereich des Hallen-Handballs zu nennen, errangen WM-Medaillen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Handballsportes in M-V seit 1990 ?

Dr. Schmidt: In M-V wird nicht erst seit 1990 eine hervorragende Nachwuchsarbeit im Handballsport geleistet. Trotz der relativ ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen gelingt es immer wieder, begabte Spielerinnen und Spieler, an die nationale, oder gar internationale Spitze zu führen. Es ist schon erstaunlich, dass es die Trainer oder Spieler vor Ort in Schwerin, Rostock, Wismar, Neubrandenburg, Stralsund oder auf Usedom schaffen, spielstarke Teams etabliert zu haben. Leider wandern viele Handball-Talente zu wirtschaftlich lukrativeren Klubs ab … Aber trotzdem: Der Handballsport hat in M-V eine gute Heimat, wie nicht nur die Erfolge der Vergangenheit beweisen. Übrigens, auch in meiner Heimatstadt Greifswals wird guter Handballsport geboten, so bei der HSG oder beim PSV !

Frage: Rostock, Usedom, Neubrandenburg, Schwerin oder Stralsund sind – wie bereits angesprochen – Hochburgen des Handballsportes in M-V. Dazu kommt noch Wismar als Zentrum des mecklenburgischen Frauen-Handballs. Wie schätzen Sie die Spielstärke der einzelnen mecklenburgischen sowie vorpommerschen Teams in deren Ligen zur Zeit ein ?

Dr. Schmidt: In den genannten Städten wird, insbesondere trainingsmethodisch, hervorragende Arbeit geleistet. Es ist eine Freude und Genugtuung für jeden Handball-Freund, dass die Teams, ob nun aus Rostock, Schwerin, Wismar oder Stralsund, nicht nur in der 2.Liga mitspielen, sondern oftmals – Stralsund bei den Herren, Wismar bei den Damen – auch mit „tonangebend“ sind. Gerade der langjährige Schweriner Holger Schneider, 1990 selbst WM-Teilnehmer, konnte in seiner jetzigen Trainer-Tätigkeit in Stralsund viel Positives erreichen. Stralsund traue ich, den Aufstieg in die erste Bundesliga auf jeden Fall zu. Sehr angetan bin ich auch von den Wismarer Handball-Damen. Trainer Lutz Gau und Manager Klaus-Dieter Soldat leisten dort auch Beeindruckendes. Dennoch, bei allen Ambitionen der einzelnen Teams in M-V: Es ist vor allem wichtig, eine solide finanzielle Basis zu haben und in der zweiten Bundesliga um eine vordere Platzierung mitzuspielen, als in der ersten Bundesliga mit wirtschaftlichen Problemen gegen den Abstieg zu kämpfen.

Die Traditionsteams in Schwerin, in Rostock, in Wismar, auf Usedom, in Neubrandenburg oder in Stralsund sind mittlerweile Markenzeichen für den regionalen wie nationalen Handballsport.

Frage: Die Nachwuchsförderung ist eine Erfolgsgeschichte des heimischen Handballsportes. Welche Stellung hat die Nachwuchsförderung aus Ihrer Sicht ?

Dr. Schmidt: Eine erfolgreiche Nachwuchsförderung ist die Voraussetzung für die künftigen Erfolge der Spitzen-Teams. Sportliche Förderzentren in M-V sind im männlichen Bereich besonders Schwerin und Usedom, im weiblichen Bereich Neubrandenburg, Rostock und Wismar. Ein vorrangiges Ziel und ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit des Handballverbandes M-V ist es, bis zum A-Jugend-Bereich eine bestmögliche Förderung der Talente zu ermöglichen. Das eigentliche Problem besteht dann darin, dass die neuen Handball-Hoffnungen aus M-V ihr Glück in der Folgezeit z.B. in Magdeburg (Herren-Team) oder in Leipzig (Damen-Team) versuchen, weil dort ökonomische Standortvorteile sind bzw. diese Klubs Deutschland international vertreten. Trotz allem: M-V genießt bundesweite Achtung aufgrund der qualitativ ausgezeichneten Nachwuchsarbeit – das wird sich früher oder später auch für unsere Teams in der 2. oder sogar hoffentlich 1.Bundesliga auszahlen !

Abschließende Frage: Was waren für Sie die persönlichen WM-Highlights ?

Dr. Schmidt: Ich konnte bei der grandiosen WM-Eröffnung am 19.Januar in Berlin dabei sein und verfolgte ebenfalls WM-Spiele vor Ort in Magdeburg. Die enorme Begeisterung, die hervorragenden Hallen und die allgemeine Spielstärke der Teams – das alles war echte Werbung für den Welt-Handballsport. Aus deutscher Sicht kann ich nur sagen: Es ist phänomenal, was die Truppe von Heiner Brand erreicht hat. Für mich war es zudem eine WM der Torhüter, mit einem Henning Fritz der Extra-Klasse. Wer gewinnen wollte, mußte sein Tor „sauber“ halten … Die WM 2007 war ein Meilenstein in der Geschichte des Handballsportes und das WM-Finale war der Hit !

Marko Michels

Fotos: Marko Michels

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