“Immer kämpferisch” eingestellt !
Mit Manuela Schwesig im Gespräch über Schweriner Chancen, SPD-Umfragewerte und Entwicklungen der Stadt
Manuela Schwesig, unsere Interview-Partnerin, ist Diplom-Finanzwirtin, und seit 1997 in Schwerin. Sie ist nicht nur in der bzw. für die Schweriner SPD eine kompetente Aufsteigerin mit Charme und Intellekt.
Die gebürtige Brandenburgerin aus Frankfurt/Oder ist designierte Fraktionsvorsitzende der Schweriner SPD und Mitglied des Hauptausschusses, im Ausschuss für Verwaltungsmodernisierung und im Ausschuss für Finanzen der Stadtvertretung Schwerin. Zudem gehört Manuela Schwesig dem Landesvorstand der SPD M-V an. Seit 2002 arbeitet die Steuer-Expertin im Finanzministerium M-V. Kulturell ist die die SPD-Politikerin ebenfalls sehr interessiert und Mitglied im Aufsichtsrat der Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin gGmbH.
Sie sind Hoffnungsträgerin Ihrer Partei für die Zukunft. Bei den aktuellen Umfragewerten für die Bundes-SPD: Sind Sie eher frustriert oder kämpferisch eingestellt ?
Manuela Schwesig: Ich bin immer kämpferisch eingestellt, egal, welche Hürden es zu meistern gilt. (lacht)
Die Bindekraft der Parteien wird stetig schwächer. CDU und SPD verloren im letzten Jahr wieder Tausende Mitglieder. Kleinere Parteien oder Protestparteien profitieren von dieser Bürger-Verdrossenheit gegenüber den beiden großen Volksparteien. Was müssen die Volksparteien, speziell die SPD, aus Ihrer Sicht tun, um wieder attraktiver für die WählerInnen zu werden?
Manuela Schwesig: Ich finde ein wichtiger Punkt ist die Glaubwürdigkeit. Den Bürgerinnen und Bürgern müssen die Probleme und möglichen Lösungen ehrlich und offen vermittelt werden. Ehrlichkeit wird nicht immer honoriert – auch nicht vom Wähler -, weil diese gelegentlich auch schmerzt. Aber Ehrlichkeit ist die Basis für Vertrauen in die Politik.
Die beiden deutschen Nachrichtenmagazine “verrissen” die bisherige Arbeit des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Ist Kurt Beck aus Ihrer Sicht der geeignete SPD-Vorsitzende?
Manuela Schwesig: Ich werde im Oktober dieses Jahres als Delegierte zum Bundesparteitag fahren. Kurt Beck hat als Vorsitzender der SPD meine Stimme. Im Übrigen finde ich es schwierig, dass jede Woche neue Umfrageergebnisse präsentiert werden. Dadurch ist Politik nur noch mit sich selbst beschäftigt. Fast alle diskutieren nur noch die neuesten Umfragewerte, anstatt über Inhalte und Konzepte zu reden. Auch das ist ein Grund für Politikverdrossenheit.
Zu Schwerin: Die Landeshauptstadt “glänzt” durch das Staatstheater und die Schloßfestspiele, natürlich duch das “Märchenschloss” oder die Seen. Manche “Stellen”, so der Marienplatz, die Friedrichstrasse oder der allgemeine City-Bereich, sind ziemlich ausgestorben und öde. Gibt es kein Konzept, um diese prägnanten “Ecken” Schwerins wieder “aufzupolieren”?
Manuela Schwesig: In den letzten Jahren hat sich in Schwerin sehr viel bewegt. Wenn Freunde mich besuchen kommen, dann sind sie von Schwerin begeistert und deshalb wünsche ich mir, dass wir als Schweriner auch stolz auf das sind, was geleistet wurde.
Schauen Sie, zur Zeit ist Schwerin eine große Baustelle: Werderstraße, Marstallhalbinsel, Graf-Schack-Allee. Überall wird gebaut und saniert, aber alle Wünsche auf einmal zu erfüllen, das wäre vermessen. Und um auf die Friedrichstraße zurückzukommen. Diese wurde von der Stadt schon vor Jahren saniert. Jetzt kommt es darauf an, dass private Engagement zu mobilisieren, so dass auch die Häuser in Schuss gebracht werden. Hinsichtlich des Marienplatzes hat die Stadt sogenannte vorbereitende Untersuchungen für ein Sanierungsgebiet angeschoben.
Schwerin ist auf dem ersten Blick, vielleicht auch noch auf dem zweiten Blick eine beschauliche, liebenswürdige Stadt. Dennoch, trotz z.B. die Fachhochschule für Arbeitsverwaltung, die kaum wahrnehmbar ist, gelingt es nicht, private Universitäten/Hochschulen in Schwerin anzusiedeln. Welches sind die Gründe?
Manuela Schwesig: Schwerin ist auch auf den dritten Blick eine liebenswürdige Stadt. (lacht)
Wir haben bereits in Schwerin eine private Hochschule mit internationaler Anerkennung: das Baltic-College. Hier können Studenten den Studiengang “Hotel- und Tourismusmanagement” absolvieren. Ich hoffe, dass weitere Hochschulansiedlungen folgen und werde diese als Stadtvertreterin unterstützen. Allerdings muss ich feststellen, dass ein starker Wirtschaftsstandort Schwerin auch eine wichtige Voraussetzung für einen Hochschulbetrieb in der Stadt ist und daran müssen wir arbeiten. Wir benötigen mehr Wirtschaftsansiedlungen. Leider ist der Oberbürgermeister hier deutlich hinter den Erwartungen zurück geblieben.
Die BUGA, eigentlich ein sehr positives Projekt, hatte einst visionäre Inhalte. Inzwischen gibt es eine “abgespeckte Version”. Baut Schwerin, wie andere ostdeutsche Städte, zu sehr auf “Luftschlösser”?
Manuela Schwesig: Die BUGA war eine Vision für Schwerin. Jetzt wird sie Wirklichkeit. Sie ist eine einzigartige Chance für die touristische und wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt. Sie ist solide durchfinanziert. Gerade die”abgespeckte Version”, die ich eher als “BUGA Kompakt” bezeichne, verhindert, dass wir “Luftschlösser” bauen.
Sportstadt Schwerin: Die Erfolge der Volleyball-Spielerinnen, Boxer, Segler, Handball-Spieler, Leichtathleten oder Radsportler in Vergangenheit wie Gegenwart sprechen für sich. Der geplante Umbau des Sportkomplexes am Lambrechtsgrund bleibt aber seit Jahren ein Dauer-Thema. Gibt es zu wenig Initiativen von der Stadt dazu ? Ist die Landesverwaltung, das Innenministerium, der “Bremser”?
Manuela Schwesig: Die Stadtvertretung hat auf ihrer Sondersitzung im März das PPP-Projekt Lambrechtsgrund beschlossen. Danach soll der gesamte Komplex mit Hilfe eines privaten Partners modernisiert werden. Die Stadt geht damit eine finanzielleVerpflichtung von 2,4 Millionen Euro jährlich über 25 Jahre – also insgesamt 60 Millionen Euro – ein. Damit hat sich die Stadt eindeutig zur Zukunft des Sports in Schwerin bekannt.
Das Innenministerium als kommunale Aufsichtsbehörde ist angesichts des schon bestehenden Schuldenberges der Stadt der Meinung, dass wir uns eine solche Summe nicht leisten können. Der Innenminister sieht aber auch die Notwendigkeit den Standort als Sport- und Veranstaltungszentrum zu modernisieren. Diese Gesprächsbereitschaft muss der Oberbürgermeister aufnehmen. Schuldzuweisungen bringen gar nichts. Wir müssen eine Lösung finden, die dem Standort, aber auch unserer finanziellen Situation gerecht wird.
Die SPD, die Jusos, engagieren sich gegen Rechtsextremismus und NPD – eine notwendige, sinnvolle politische Auseinandersetzung.
Vor mehr als 60 Jahren wurden SPD und KPD zwangsvereinigt. Die SPD mußte dafür einen hohen Blutzoll zahlen, z.B. starben der Hagenower Landrat Bernhard Pfaffenzeller und der Schweriner Sozialdemokrat Hans-Joachim Roskam während ihrer politischen Haft, der damalige Landesgeschäftsführer Hermann Lüdemann mußte nach Schleswig-Holstein fliehen und – nur nur zwei Beispiele von vielen – der Rostocker Oberbürgermeister Albert Schulz oder der Schweriner Bürgermeister Albert Kruse wurden wegen ihrer antikommunistischen Haltung einfach abgesetzt.
Muß die SPD aufgrund dieser Erfahrungen nicht auch deutlicher Stellung gegen die Linkspopulisten beziehen? Oskar Lafontaine hatte ja noch im letzten Bundestagswahlkampf den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder demagogisch angegriffen …
Manuela Schwesig: Man darf den Nationalsozialismus nicht mit der SED-Diktatur auf eine Stufe stellen. Aber klar ist auch, dass wir jede Form von Extremismus ablehnen. Heute ist es eine der wichtigsten Aufgaben aller Demokraten, die Neonazis mit allen politischen Mitteln zu bekämpfen, denn wir wollen, dass Mecklenburg-Vorpommern ein weltoffenes und tolerantes Land bleibt.
Deutschland im Jahr 2007 heißt auch “Kampf um Krippenplätze”. Familienministerin Ursula von der Leyen muß sich dabei gegen heftige Vorhaltungen der CSU, sogar von Teilen der SPD wehren. Werden Sie eigentlich Ihr Neugeborenes in staatliche Obhut geben?
Manuela Schwesig: Die Betreuungsangebote in Schwerin sind sehr vielfältig und erfüllen hohe Ansprüche. Wir haben Kindertagesstätten der Stadt und von freien Trägern, aber auch qualifizierte Tagesmütter. Ich konnte mich bei den Verhandlungen zwischen der Stadt und den Kindertagesstätten und in der Prüfungskommission für Tagesmütter von den vielen guten Konzepten überzeugen.
Eine gute Betreuungssituation für Kinder liegt mir im Interesse der Kinder und Eltern besonders am Herzen. Deshalb habe ich auch den Vorschlag des Oberbürgermeisters, den Betreuungsschlüssel in den Kitas zu verschlechtern, um Geld zu sparen, vehement abgelehnt. Wir dürfen nicht auf Kosten der Kinder sparen! Sie sind unsere Zukunft.
Auch mein Sohn wird nach der Elternzeit eine Kita besuchen. Ich bin derfesten Überzeugung, dass der Besuch einer Kita oder Tagesmutter mit anderen Kindern, die Entwicklung meines Sohnes fördert. Gleichzeitig bietet sich mir und meinem Mann dadurch die Möglichkeit, Familie, Arbeit und ehrenamtliches Engagement unter einem Hut zu bekommen.
Letzte Frage: Welches politische Projekt in Schwerin würden Sie gern beschleunigen?
Manuela Schwesig: Ich möchte, dass wir in Schwerin mehr junge Familien haben. Wir sollten uns bei jeder wichtigen Entscheidung fragen, was ist gut, damit junge Menschen gern in Schwerin leben.
Marko Michels