Schweriner BUGA-Jahr ist auch deutsches Jubiläumsjahr

Neuer Glanz 2009 nach schwierigem Neu-Anfang 1945

Schwerin/Schloss2009 ist Jubiläumsjahr: Ausbruch des 2.Weltkrieges vor 70 Jahren, Gründung der Bundesrepublik vor 60 Jahren oder Fall der Berliner Mauer vor 20 Jahren.

Und es ist die Stunde der „Gutmenschen“, „Schönredner“ und „Geschichtsklitterer“:
Insbesondere, wenn es insbesondere um das „Erfolgsmodell Bundesrepublik Deutschland“ geht. Doch Altstalinisten werden mit den „sozialen Segnungen der DDR“, des „ersten (und hoffentlich letzten) Arbeiter- und Bauern-Staates auf deutschem Boden“, kontern.

Es wird über die Verkündung des Grundgesetzes 1949, die „Ära Adenauer und dessen Politik der Westbindung“, über die erste „Große Koalition“ unter Kiesinger/Brandt, die sozial-liberalen Koalitionen Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher, die „Ära Kohl und dessen Politik der vertieften europäischen Integration“ sowie über die Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder bis hin zur ersten Kanzlerin Angela Merkel schwadroniert und geplappert werden.

Die Erfolge des Freistaates Bayern, der D-Mark, der westdeutschen Wirtschaft allgemein, der Fußball-WM-Titel 1954, die ersten deutschen Olympiasieger nach dem 2.Weltkrieg, Bobsportler Anderl Ostler bzw. dessen Teams sowie das Eis-Paar Ria und Paul Falk 1952 in Oslo, oder die Tennis-Erfolge von Boris und Steffi werden – und völlig zu Recht – in neuem Glanz erstrahlen.

Die Ostdeutschen jedoch, deren Aufbauleistungen – durchaus mit internationalen Erfolgen auf den verschiedensten Gebieten – und nicht zuletzt deren Freiheitswillen, werden dabei wahrscheinlich nur eine marginale Rolle spielen – und wenn, nur plakativ und meistens in negativen Zusammenhängen. Es ist ja Super-Wahlkampfjahr 2009 und da bleibt bekanntermaßen kein Platz für Differenzierungen.

Dabei war die Ausgangslage`45 war für die verschiedenen deutschen Regionen höchst unterschiedlich. Wer unter amerikanische, englische oder französische Besatzung geriet, blieb zumindest partiell hoffnungsvoll.
Die Besatzung unter der Roten Armee bedeutete jedoch schnell Restriktionen, Übergriffe und Massenverhaftungen, gleich ob man Nazi war oder nicht.

Anfang Mai 1945 wurde Mecklenburg zu einem beträchtlichen Teil von englischen und amerikanischen Truppen besetzt. Diese Truppen waren damals bis zu einer Linie östlich entlang der Kreise Wismar, Ludwigslust und Schwerin vorgestoßen. Nach Einrücken der Amerikaner waren beispielsweise in Schwerin verantwortungsbewusste Persönlichkeiten wie der Oberbürgermeister Richard Crull auf ihren Posten geblieben und hatten dafür gesorgt, dass in der unmittelbaren Nachkriegstagen der Verwaltungsapparat zum Wohle der vielen Einwohner und Flüchtlinge zumindest einigermaßen intakt blieb.

Albert KruseDie zum Teil mit neuen Persönlichkeiten besetzten deutschen Verwaltungsstellen – unter ihnen die sozialdemokratischen Stadträte Albert Kruse und Willi Mausolf – versuchten mit Unterstützung der Militärregierung Ordnung in die Verwaltung und in die Wirtschaft zu bringen.

Und in Schwerin herrschte damals Chaos pur. So sei die Stadt damals voll von Flüchtlingen, die in langen Trecks aus dem Osten kamen, und anderen, die nach Westen wollten, aber dort nicht weiterkamen, umkehrten und in Schwerin blieben, gewesen. Schwerin habe im Mai 1945 60000 Einwohner beherbergt, dazu kamen 36000 Evakuierte aus dem Rheinland und Hamburg, die dort ausgebombt waren und hier zusätzlich untergebracht werden mussten. … Viele Straßen standen voll Wagen mit dem Gepäck, Pferde liefen frei in den Straßen herum … Zuletzt seien die zurückflutenden Soldaten aus Mecklenburg, die hier ihre Waffen fortwarfen und sich ergaben, gekommen. … Dann seien zudem die langen Züge der ausgemergelten KZ-Häftlinge gekommen … Schlimm habe es auf dem „Großen Dreesch“, dem Exerzierplatz, ausgesehen: Hunderte von herrenlosen Pferden standen herum, Tote lagen dazwischen …, berichtet der damalige OB Richard Crull in seinem Erinnerungsbericht. Im Schlossgarten mussten  die ehemaligen Häftlinge aus den KZ übernachten und sich an Lagerfeuern aufwärmen.

Schwerin im Mai 1945 ff. – eine Stadt voller Resignationen, Trauer und zunächst Hoffnungslosigkeit.
Diese wurde nach dem Wechsel der Besatzungsmächte – erst Amerikaner, dann Engländer, dann die Russen – noch verstärkt.

Albert SchulzDer Rostocker Sozialdemokrat Albert Schulz, der später Oberbürgermeister der Hanse- und Universitätsstadt wurde und auch Mitglied des Schweriner Landtages war, meinte zum Einmarsch der Russen in Rostock, in Schwerin bzw. in ganz Mecklenburg: „… Als die Russen einmarschierten, waren die alten Kommunisten zu Hosianna-Rufen geneigt. Sie wurden aber bald und oft bedenklich. , wenn sie das Wirken und die Auffassung dieser bolschewistischen Armee erfuhren. Es ist gewiß auch kein Zufall, dass verhältnismäßig rasch die alten Kameraden der KPD an den Rand der Ereignisse gespült wurden und zum Teil sogar aus ihrer Partei ausgeschlossen wurden. Die deutschen Kommunisten hatten andere Vorstellungen von Solidarität und Brüderlichkeit gehabt, als sie jetzt (in den Nachkriegsmonaten) erlebten …“.

Schnell wurden auch in Schwerin die stalinistisch gesinnten Kommunisten in führende Ämter und Positionen seitens der russischen Besatzungsmacht eingesetzt. Soziale, liberale und christliche Demokraten mussten hingegen Bespitzelungen, Diffamierungen oder Verhaftungen hinnehmen.

Die erwähnten Stadträte Albert Kruse und Willi Mausolf wurden zahlreichen Schikanen und Repressalien durch die sowjetische Militäradministration ausgesetzt. Mausolf wurde im November 1945 verhaftet und seines Amtes nach nachweislich falschen Anschuldigungen enthoben. Albert Kruse verlor aufgrund seiner Kontakte zum SPD-Ostbüro ebenfalls sein „Amt“ und floh aufgrund einer drohenden Verhaftung 1950 nach Westdeutschland.
Albert Schulz, der unter Nazis wie Kommunisten wegen seiner demokratischen Gesinnung gleichermaßen verfolgt wurde, mußte 1949 ebenfalls in die Bundesrepublik fliehen.

Trotz widrigster Umstände in der Folgezeit, trotz der wirtschaftlichen Inkompetenz der SED und ihrer Blockpartner, trotz Stasi-Schikanen und Bespitzelungen – auch die Schwerinerinnen und Schweriner konnten bis 1990 eine liebenswürdige Stadt mit einer herrlichen Umgebung erhalten und gestalten – jenseits aller politischen „Bevormundung“.

Wenn Schwerin nun 2009 in neuem BUGA-Glanz erstrahlen wird, dann sollte man sich auch an den beschwerlichen Neuanfang 1945 erinnern.
Viel bleibt noch zu tun, aber auf das Erreichte kann und darf man stolz sein !

M.Michels

F.: M.M. (1), Stadtarchiv (1), P.Schulz/privat (1)


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